Wenn eine Chaotentruppe ein "Wahnsinnsst?ck" spielt?

Ibbenb?rener Anzeiger vom 29. April 2004

Dieter B?hre. Ibbenb?ren. Beziehungskisten sollen vor allem in Kom?dien immer im Wege stehen - wenn aber gleich drei solcher Stolperfalle aufgestellt sind und Regie-"Gott" Lloyd - wie er sich selber nennt - seine Finger im Spiel hat, die alternde Theater-M?zenin Dotty m?chtig Streit mit ihrem jungen Galan Garry bekommt, dessen B?hnengeliebte Brooke eifers?chtig auf die v?llig ?berforderte Requisiteurin Poppy ist, die aber dennoch mehr auf Zack ist als Inspizient und Pr?gelknabe Tim und wenn alle zusammen immer und ?berall nach dem st?ndig betrunkenen Kollegen Selsdon suchen, dann? ja dann wird Chaos zum Prinzip!

Nichts verstanden? Macht nichts! Sehen Sie es sich an! "Der nackte Wahnsinn", am gestrigen Mittwoch war im B?rgerhaus Premiere, kann zum neuen Erfolgsst?ck der Quasi-So-Theatertruppe der VHS werden. Die raffiniert konstruierte turbulente Kom?die von Michael Frayn ist Theater im Theater im Theater. Die gro?e B?hne des B?rgerhauses wird Spielst?tte und mit 80 Sitzpl?tzen zur Studiob?hne umfunktioniert.

Eine drittklassige Theatertruppe hat Generalprobe. Der Autor und Steuerbetr?ger Philip kommt mit seiner Frau Flavia ?berraschend aus Spanien in sein Haus zur?ck, das er zum Verkauf angeboten hat. Genau an diesem Tag braucht der Makler Roger das Haus f?r ein amour?ses Abenteuer mit der h?bschen Vicky. Allerdings ist ausnahmsweise die Haush?lterin trotz ihres freien Tages zuhause und ein Verwirrspiel beginnt?

So weit das St?ck, das unsere Theatertruppe zu spielen hat: Inzwischen ist es nach Mitternacht und bis zur Premiere bleiben den Ensemble nur noch wenige Stunden. Das B?hnenbild ist nicht fertig. Dotty kann sich ihren Text nicht merken, Brooke verliert Kontaktlinsen oder ist geistesabwesend, Frederick hat das St?ck nicht begriffen, Selsdon ist st?ndig blau, der Regisseur flippt aus und niemand au?er ihm hat den ?berblick, wann welcher Sardinenteller wohin getragen werden muss und sich welche der unz?hligen T?ren zu ?ffnen oder zu schlie?en hat. Das Unheil nimmt Anlauf, der Zuschauer erlebt mehr als zwei Stunden lang drei verschiedene Perspektiven desselben Aktes?

Das Quasi-So-Ensemble hat sich f?r "Der nackte Wahnsinn" einen Profi geholt. Der geb?rtige Russe Vladimir Egorov (52) aus Bielefeld, frei schaffender Theatermann, hat die Inszenierung ?bernommen. Und das sp?rbar gut: Straff und dennoch behutsam f?hrt Egorov Regie. Ohne eine derartig pr?zise Koordination w?rde gerade ein solcher Stoff aus dem Ruder laufen. Wahnsinnig schnelle G?nge, Action pur, die Quasi-So-Truppe muss nur noch spielen. Allen voran Hannelore Berk, der als Dotty am?sant die Gratwanderung zwischen ?berforderter Schauspielerin und verliebter M?chtegern-Theater-Diva gelingt. Bezaubernd-s?? ist Imke Strothmann, die sich m?helos von der verf?hrerisch-naiven Geliebten Garrys mit gelegentlichen Abszenzen zur hysterischen Zicke wandelt. Rainer M?ller (Zweitbesetzung Volker H?ntemeyer) ist der trottelige und dennoch sympathische Frederick, der st?ndig alles hinterfragt, Patric Sohrt (Bastian Schallenberg) der d?mmlich-arrogante Garry, der kaum einen Satz sinnvoll beenden kann. Ilka Bergschneider (Manuela Schmiemann) spielt Philips Ehefrau Flavia und hat als klatschm?ulige Schauspielerin Belinda f?r alles und jeden Verst?ndnis. ?berzeugend auch die arme Poppy (Franziska M?ller), die von allen ihr Fett abbekommt und Paul Hohenhaus (Jonathan Wa?muth), der als Tim auf der Trittleiter noch eins tiefer steht. Marc Schmiedel spielt den durchg?ngig pr?sent den genervten Regisseur, der sich eigentlich zu H?herem berufen f?hlt, als mit dieser d?mlichen Truppe Theater zu machen und Klemens Hergem?ller hat die schwierige Aufgabe, den st?ndig betrunkenen Selsdon zu mimen , der immer ein wenig zu laut und penetrant durchs B?hnenbild taumelt.