"Creeps" war absolut keine Zitterpartie

Ibbenb?rener Volkszeitung vom 21. Februar 2003

Wilm Froese. Ibbenb?ren. Auch wenn "Creeps" mit "G?nsehaut" ?bersetzt werden kann, war die Premiere des St?ckes gleichen Namens von Lutz H?bner am Donnerstagabend im ausverkauften Garderobenraum des B?rgerhauses absolut keine Zitterpartie f?r die Beteiligten. Von der ersten bis zur neunzigsten und letzten Minute bescherten sie spannendes Theater auf gutem Niveau. Und das Publikum reagierte mit Szenenapplaus und langem Schlussbeifall.

Dabei tr?gt das St?ck sich durchaus nicht von allein. Die st?ndig wechselnden Gef?hle der drei jungen Frauen, die sich f?r ein Casting als Moderatorin eines TV-Jugendmagazins namens "Creeps" beworben haben, ihre Anspannung, Wut, Lebensangst, ihr Hass und Mitleiden, das muss gespielt und deutlich gemacht werden. Wie bruchlos und in der Entwicklung stimmig alle drei Darstellerinnen ihre Figuren zum Leben erweckten, war schon begeisternd.

Franziska M?ller hatte mit der handfesten Petra aus "KM", also Chemnitz, fr?her Karl-Marx-Stadt, die vordergr?ndig leichteste Rolle. Doch aus der Funktion als Bild der Normalit?t, als Vorf?hr-Ossi, als Handlungskitt zwischen den beiden anderen entwickelt sie eine echte Person, an der der Zuschauer Interesse gewinnt. Ihr Ausbruch, als sie in sich die ganze Bev?lkerung der neuen L?nder beleidigt sieht, wirkt absolut echt.

An Lilli ist gar nichts Echtes, das macht Susanne Scharbau vom ersten Augenblick an deutlich. Doch wie sich langsam Spr?nge in der Selbstinszenierung zeigen, wie sie sie immer m?hsamer kaschiert, wie sie dann doch scheitert in der pl?tzlich m?glichen Selbstfindung, das deutet Susanne Scharbau aus, ohne den Rahmen der von Lilly geschaffenen Kunstfigur zu verlassen. Die bleibt auf diese Weise ein Ekel, auch eine ?bersetzung von "Creeps", aber man w?nscht ihr, dass sie eines Tages diese Haut abstreifen kann.

Auch Maren hat so eine beengende Haut. In Anna Lefmanns Ausgestaltung ist sie keine selbst gestrickte ?ko-Tante, sondern ein zerbrechliches Wesen, bei aller Verklemmtheit auch ansatzweise selbstbewusst. Dass sie sich ?berhaupt f?r dies Casting bewirbt, w?re anders ebenso unlogisch wie die Z?higkeit, mit der sie immer wieder neu anf?ngt. Ihr verzweifelt-mutiger Song ist einer der H?hepunkte des Abends.

Alle drei werden von einer Stimme im Hintergrund vor immer neue Aufgaben gestellt, bis sie ihr Innerstes nach au?en kehren. Klemens Hergem?ller gibt diesem Unsichtbaren Gewicht, l?sst ihn schmeichelnd, anheizend, ironietriefend, aber auch eiskalt agieren. Dieser Arno ist mit seinem Job-Angebot f?r die M?dchen zun?chst die M?glichkeit, ihrer jeweils anders begr?ndeten Enge zu entkommen. Am Ende aber wird die Befreiung von seinen Verlockungen die Hoffnung, auch allein mit dem Leben fertig zu werden.

Die beiden als Schauspieler im Amateurtheater der Region bekannten Peter Tombrink und Henning Str?bbe haben mit dieser Inszenierung ein tolles Regie-Deb?t hingelegt. Nicht nur, wie sie das St?ck in sich geschlossen halten und einen r?hrseligen Schluss vermeiden, ist bemerkenswert. Auch die Arbeit bis in die Details der Haltung oder der Dekoration, der Aufbau von aussagekr?ftigen Figurenkonstellationen, die F?hrung und Ausarbeitung der Sprache sind stimmig.

Der sehenswerte Einsatz der Videoleinwand, auf der sich Szenen wiederholen oder variieren, wird nie Selbstzweck, sondern ordnet sich dem B?hnengeschehen ein. Dass dem Regie-Duo nahezu alle, die sich in Ibbenb?rens Theaterlandschaft im Technikbereich einen Namen gemacht haben, hilfreich zur Seite standen, wirft nebenbei ein gutes Licht auf den Zusammenhalt im gesamten Quasi so-Theater der VHS.