Zwischen herzhaftem Lachen und nachdenklicher Betroffenheit

Ibbenb?rener Volkszeitung vom 12. Mai 2001

Anette Kleinert. Ibbenb?ren. Um es gleich vorweg zu sagen: Regisseurin und Akteure haben Hervorragendes geleistet. Mit aller Sensibilit?t stellte das Theater der VHS am Donnerstagabend den Themenkomplex Alter und Abgeschobenwerden vor. "Das Herz eines Boxers" von Lutz H?bner mit seiner umwerfend treffenden Situationskomik bot die M?glichkeit, viele Theater-Register zu ziehen. Von den Dialogen zwischen Gro?schn?uzigkeit und gro?herziger Weisheit ?ber die dezent-raffinierte Kost?mgestaltung bis hin zur Ton- und Lichttechnik: Alles passte haargenau und traf den Nerv. Die gut 80 Premiereng?ste erlebten auf diese Weise einen Abend zwischen herzhaftem Lachen und nachdenklicher Betroffenheit.

Der "rote Leo", einst ber?hmter Box-Star, ist in der geschlossenen Abteilung eines Altersheimes gelandet. Man f?rchtet ihn (und seine "hammerharte Linke"), seit er sich die Erniedrigungen durch einen Pfleger nicht mehr gefallen lie? und diesen gekonnt zu Boden streckte. In seine stille, karge Welt platzt wie ein Paukenschlag der junge Jojo, der eine Jugendstrafe in Form von gemeinn?tziger Arbeit ableisten und das Zimmer von Leo streichen muss. Jojo flucht, raucht und plappert pausenlos - der alte Mann schweigt. Dadurch nerv?s geworden, steigert Jojo sein Geschw?tz bis fast zur Unertr?glichkeit und ?ffnet so, ohne es selbst zu merken, sein Herz. Der alte Leo hingegen merkt es sehr wohl ("Du hast ja richtig Charakter!"), und es entsteht schrittweise und leise eine vorsichtige Freundschaft zwischen den beiden gesellschaftlichen Au?enseitern. Der ehemalige, lebenserfahrene Boxer gibt dem Jungen Ratschl?ge; Jojo weckt mit seiner ?bersch?umenden Frische und seiner charmanten Unsicherheit, die er gro?m?ulig zu verbergen sucht, fast vergessene Lebenslust in dem alten Mann.

Die st?ndig spannungsgeladene, aber immer herzlicher werdende Beziehung wird von den beiden Akteuren wunderbar auf die B?hne gebracht. Herbert B?rger ist der Urtyp des lebenserfahrenen Mannes, der - zur?ckhaltend schweigsam - immer weiter auftaut. Er f?llt die Rolle des "roten Leo" mit dem gro?en Herzen ?berzeugend aus: "Das Herz eines Boxers ist so gro?, dass er niemanden hassen kann." Und man glaubt ihm die beh?nde Anpassungsf?higkeit seiner Rolle durchaus, von der er Jojo erz?hlt: "Du musst immer in Bewegung bleiben, beim Boxen wie im Leben. Da ist immer irgendeine L?cke, die Du nutzen kannst." Und: "Je st?rker der Gegner, desto gr??er Deine eigene Kraft."

Stefan K?nig powert als Klischee-Gro?maul und zeigt gleichzeitig seine jungenhafte, verletzliche Sch?chternheit, die sich dahinter verbirgt. Als Mitl?ufer einer kriminellen Jugend-Clique, der Anerkennung sucht, wirkt er ebenso authentisch wie als sch?chtern Verliebter. Zur H?chstform laufen beide Darsteller in der Schlussszene auf: Den abenteuerlichen Fluchtversuch des alten Leo aus dem Heim und die wirklich lachmuskelersch?tternden Folgen muss man einfach selbst miterleben. Weitere Auff?hrungen von "Das Herz eines Boxers" heute und morgen Abend sowie am 19. und 20. Mai, jeweils um 20 Uhr im Foyer der Alten Sparkasse.