Oliver lie? die Herzen h?her schlagen

Westf?lische Nachrichten vom 18. September 2000

G?nter Benning. Ibbenb?ren. Der rote Vorhang schlie?t sich. Fagin, der Schurke, verschwindet hoch oben auf der B?hne im Londoner Nebel. Das Ende einer d?ster-dramatischen Geschichte, und das Publikum pfeift frenetisch, gibt stehend Applaus, ist aus dem H?uschen. Verdienter Lohn f?r ein halbes Jahr harter Proben: am Freitag hatte Oliver, die Coproduktion von Quasiso-Theater und Musikschule B?rgerhaus-Premiere. Im Angebot: bestes Laientheater, profihafte Einzel-Charaktere und au?erordentliche Ausstattung.

Mit r?hrend-kindlicher Stimme lie? Oliver-Darsteller Daniel Jan?en-M?ller manches Mutterherz h?her schlagen. Aber anders, als die Kindersingst?cke der letzten beiden Jahre, ist "Oliver" ein dramatisch spannendes St?ck auch f?r Erwachsene.
Fangen wir beim Loben doch gleich mit Udo Eickelmann an, der den Fagin spielt, einen Kinder-Verderber mit menschlichen Z?gen. Wer den Ibbenb?rener Elektriker ?ber Jahre beobachtet hat, muss eine ?berraschende Entdeckung machen: die einstige Staksigkeit des Schauspielanf?ngers ist weg, Eickelmann betritt die B?hne, als st?nde er dort morgens auf. Das hat Klasse und Witz, und singen hat er auch gelernt.

?berraschend gut ist auch Vera Lausmann als verrucht-edle Gaunerbraut Nancy. F?r sie ist Oliver - die Waisenhausgeschichte nach Charles Dickens - ein gegl?cktes B?hnen-Debut. Zumal, es erschwert wurde, weil ihr, vor der Premiere eine Bronchitis die Stimme raubte. Lausmann merkt man Jugendjahre in einer Rockband an, schauspielerisch k?nnte sie noch eine Lockerungs?bung gebrauchen. Fazit: Eine blonde ?berraschung. Diese beiden Charaktere sollen aus der Truppe von ?ber 60 B?hnenakteuren aber nur herausgehoben werden, weil sie das Entwicklungs-Potential der Laien-B?hnen zeigen: Alte Talente lernen dazu, neue bekommen eine Chance. Zuzusehen macht da Spa?.

Vor allem macht es Spa?, die Begeisterung der ganz jungen Mitwirkenden bei diesem Musical von Lionel Bart zu beobachten: Der von Susanne Stelzer geleitete Kinderchor - die Armnhauskinder und die Diebesbande - hatte seine Hit-Melodien perfekt studiert. Die kleinen Nachwuchsleute agierten locker und gel?st. Und auch andere Akteure fanden unter der Regie von Ulla Dorenkamp und Robert Rickert zur Toppform: wie die im Alltag stille Eva Bachmann (Leiterin des Kammerchores) zur keifenden Armhauschefin wird, das hat Klasse: Ihr sicherer Sopran war auch ein musikalisch ein Genuss.

Bei der Premiere gab es st?ndig Szenenapplaus. Das hing damit zusammen, dass im Publikum viele Eltern, Verwandte, Freunde sa?en. Bei ?ber 100 Mitwirkenden kein Wunder. Lob kam aus allen Fachrichtungen, so zeigte sich Stadtbaurat Joachim Michels nach der Vorstellung begeistert ?ber die B?hnenbild-Architektur von Tim Rikeit. Ein Bild in drei Ebenen, das die H?he der B?rgerhaus-B?hne voll ausnutzt, sieht man hierzulande nie, Tournee-Theater k?nnen solchen Aufwand nicht riskieren.

Andere bewunderten Ute St?ttners schneiderische Meisterleistung. Sie hatte die Kost?me im viktorianischen Stil entworfen, besonders nett anzusehen bei den T?nzerinnen des TVI-Dance Forums, die nach der Choreographie von Kristina Leugers und Jens Dierkes sogar Radschl?ge vollbrachten. Nicht zu sehen waren die Instrumentalisten. Doch Musikschulleiter Rolf Janssen-M?ller geb?hrt mit seinem Jugendsinfonie-Orchester besonderes Lob. Aus dem Orchestergraben heraus kam der Drive f?r "Oliver". Kein Einsatz wurde verpa?t, das Arrangement der oft ohrwurmartigen- Musical-Songs war mitrei?end. Nur selten, das war aber wohl eher eine Frage der Tontechnik, ?bert?nte das Orchester den Gesang. Noch dreimal wird "Oliver" in dieser Woche zu sehen sein. Wer nicht hingeht, hat ein professionelles Erlebnis verpasst.