Da musste Ophelia verr?ckt werden

Ibbenb?rener Volkszeitung vom 20. August 1999

Barbara Gerhardt. Ibbenb?ren. Eine intelligente, prallgef?llte Textvorlage und drei Schauspieler, denen das unernste Fach auf den Leib geschneidert scheint - ideale Voraussetzungen f?r einen Theaterabend, an dessen Ende das Publikum steht. Mit "Shakespeares Werken (leicht gek?rzt)" haben drei Mitglieder der Reduced Shakespeare Company, Daniel Singer, Jess Winfield und Adam Long, ein weltweit erfolgreiches St?ck geschrieben. Man hatte den klugen Zuschnitt eines immensen Nachlasses auf grunds?tzliche, der Verj?ngung dienende Muster gewagt und die naheliegende Konsequenz gezogen, das Ergebnis irgendwo zwischen Parodie und Travestie anzusiedeln. Dabei h?teten sich die drei Briten sehr geschickt davor, Shakespeare zum blo?en Kom?diantenschriftsteller mit Geschmacksvorlieben f?rs Stra?entheater zu entzaubern. Es blieb - auch bei der Auff?hrung am Mittwochabend - gen?gend Klassisch-Ideales, Historisch-Romantisches ?brig, um - wenn man denn Zeit zum Atemholen hatte - hinter den Tumult der B?rgerhausb?hne zu sehen und zu horchen.

Die f?r die ersten Minuten noch premierenfiebrigen Hans-G?nter Schwarze-Be?ler und Robert K?tter als Jon und Peter, vor allem ein ?berragender Udo Eickelmann als Chris, w?teten sich in Vor-und R?ckw?rtsgang mit schreienden Aktionen durch K?nigsdramen, Trag?dien und Kom?dien, badeten im lustvollen Stoff und spielten das Ganze, dass es die reine Lust war. Hans-G?nter Schwarze-Be?ler brachte zun?chst in Erz?hlfunktion mit eindrucksvoll platzierter Gestik etwas Ruhe in die Familienfehden der Capulets und Montagues und lie? den gewaltig gelockten Romeo mit seiner Julia sich in der k?stlich vorgef?hrten Kunst der Liebe ?ben. Vor allem als Hamlet hatte er - obschon ansonsten dem Kom?diantentum nicht abhold - seine starke Stunde und  stand als integrer Held souver?n inmitten all der Unruhe und nicht mehr nur noch witzigen Wortspielen. Sein Mitspieler Udo Eickelmann schl?pfte blitzschnell in Frauen/-M?nnerrollen und explodierte schier vor innerem Sprengstoff. Ihn erquickten ganz offensichtlich selbst die derben Sp??e und Sprache der Stra?e, deren (Unterhaltungs-) Wert und Wichtigkeit bei Shakespeares Sorge um die ehrliche Beschaffenheit gesellschaftlicher Moral nicht hinter die Rampe fallen durfte. Ganz gleich, ob nun als Narr, der wei?, was in der ersten Reihe ankommt, oder im geschn?rten Korsettkleid der Ophelia (verst?ndlich, dass die unter diesen Umst?nden wahnsinnig werden musste), als Performancet?nzer, als Gespenst oder M?rderbube, Claudius Eickelmanns Potential an Rollenvariationen ist enorm.

Der Dritte im Tumultbunde, Robert K?tter, spielte sich trotz dieser ?bermacht zunehmend frei (auch was die deutlichere Artikulation anging) und ihm war der schwierige Teil, vollkommen kontr?re Rolleninhalte rasch hintereinander zu bringen, zugedacht. Gro?es Kompliment f?r seine Leistung. Bei einer derartig darstellerischen Dichte war es eine kluge Entscheidung des Regisseurs (Jens Dierkes), sich einmal Quasi So - un?blich nur mit einem schlichten B?hnenbild zu begn?gen. Die vielen Regieeinf?lle, die sch?nen Kost?me brauchten nicht mehr. Bleibt den k?nftigen Auff?hrungen zu w?nschen, dass das B?rgerhaus ebenso gef?llt sein m?ge wie bei der Premiere.