Premiere: Die Ehe als Tod der Hoffnung?

Westf?lische Nachrichten vom 16. April 1999

wf. Ibbenb?ren. Sex-Appeal als erotische und/oder sexuelle Anziehungskraft der Geschlechter glaubw?rdig auf die B?hne zu bringen, ist selbst f?r gestandene Profis ein nicht so leichtes Unterfangen. Wie vielschichtig erweisen sich dabei die Nuancen vom Flirt um des blo?en Vergn?gens willen ?ber den  animalischen adhoc-Sex bis hin zur erf?llten erotischen Liebe.
Sechs junge Quasi So-Leute wagten sich am Mittwochabend im B?rgerhaus in das pikante "B?umchen-Wechsle-Dich"-Spiel von Woody Allens "Mitternachts-Sexkom?die". Sie erspielten eine insgesamt aparte Version, die bei allem kom?diantischen Grundtenor ein gr??tenteils gleicherma?en ?sthetisches wie tiefgr?ndiges Niveau aufwies.

Manfred Hagemann konzentrierte sich in seinem beachtlichen Regiedeb?t augenscheinlich von der St?ckintention her auf die vielen melancholischen "Wenn"s, in deren Beklagen verpasster Gelegenheiten, sein Leben anders zu gestalten, oft auch ein Vehikel zum (im Alltag meist nur) gedanklichen Seitensprung steckt.  Die befreiende Wirkung theatralischen Auslebens solch unterschwelliger Befindlichkeiten stellte der Regisseur ins Zentrum eines erfreulich kurzweilig-heiteren Spiels. Er lotete sensibel die darstellerischenM?glichkeiten seines Ensembles aus, sorgte f?r eine faszinierend atmosph?rische Dichte und konnte dabei u.a. auf eine gl?nzende Kost?mierung durch Ute St?ttner und Dorothee Falkenreck zur?ckgreifen.
Als B?hne gestaltete das Gesamtensemble diesmal die linke Foyerh?lfte mit Treppe und brachte mit gro?em handwerklichen Geschick eine effiziente Bew?ltigung auch gerade einiger eher auf Verfilmung fixierter Szenen zustande. Lediglich die Ausleuchtung machte die Grenzen der R?umlichkeitdeutlich, zumal einige unstimmige Tageszeitangaben der Figuren irritierten.

Der selbstgestellte Anspruch, eine "Wandlung der Charakterstrukturen aller Personen deutlich" zu machen (Hagemann), blieb zwar etwas auf der Strecke, was allerdings nicht so sehr am K?nnen des Ensembles, sondern einerseits an den Grenzen altersbedingt glaubw?rdiger Ausstrahlung, andererseits an den melancholischen Br?chen des St?ckes selbst liegen d?rfte. Umso bemerkenswerter ist dagegen, welch stimmige Verkn?pfung gelang hinsichtlich banal-allt?glicher, poetisch-romantischer und schwankhafter Momentaufnahmen in den Beziehungen dreier Paare, die auf einer l?ndlichen Wochenendparty allesamt fremdgehen.

Detlef Richter spielte den Hobby-Erfinder Andrew in seiner naiven Gutm?tigkeit mit einem ausgesprochen liebensw?rdigen Charme. In der Rolle seiner seit einem fr?heren Seitensprung arg verklemmten Ehefrau entpuppte sich Kathi Anlauf als ein neues schauspielerisches Kleinod, das vielleicht  rollenm??ig noch behutsamer aufgebaut werden sollte.

Den bornierten Philosophie-Professor erspielte Rainer M?ller in frappierend disziplinierter Stilisierung eines Gruftis mit W.Allen-Verschnitt, wobei sich seine zu lange unterdr?ckte Begierde in der selbstironischen Pointe eines Coitus interruptus durch Tod tragikomisch entlud. Imke Strothmann imponierte als seine ihre Flatterhaftigkeit voll auslebende Verlobte Ariel mit einem erotischen Fluidum, das nicht nur die drei M?nner auf der B?hne in seinen Bann zog. Souver?n brachte Udo Eickelmann jenen leichtfertigen Weiberhelden auf die B?hne, der unter seiner Beziehungsunf?higkeit ("Die Ehe ist der Tod der Hoffnung") nur scheinbar leidet. Frauke Lefmann spielte sein momentanes Anh?ngsel Dulcy mit einer brillanten Nat?rlichkeit, so dass man ihr das unkomplizierte Ja zur Sexualit?t jederzeit abnahm.

"Einen Schritt zur?ck wagen" war das Motto dieser Ensemble-Erarbeitung. Gemeint war der Verzicht auf aufwendige Ausstattung und professionelle Regie. Die Premiere erwies beides als Understatement des ?ber 20-k?pfigen Teams! Denn die anspruchsvolle Unterhaltungskunst f?rderte einmal mehr dank imposanter darstellerischer Leistungen genau jenes eigentliche Markenzeichen von Quasi So zutage, das noch am 17., 18. und vom 23. bis 25. April genossen werden kann.