Judith Rieping gl?nzt in der Titelrolle

Ibbenb?rener Volkszeitung vom 17. Mai 2008

Cornelia Ruholl. Ibbenb?ren. Stehend applaudiert das Publikum am Donnerstagabend nach der Auff?hrung der B?hnenfassung des "Tagebuch der Anne Frank" (dramatische Bearbeitung von Frances Goodrich und Albert Hackett) dem Ensemble des Quasi So Theaters. Besonderer Jubel brandet f?r Judith Rieping auf, die in der Titelrolle gl?nzte. W?hrend der Premiere war das Publikum merklich gefangen vom Geschehen auf der B?hne, sodass Szenenapplaus ausblieb.

Das Tagebuch der Anne Frank (1929 - 1945) ist eines der ergreifendsten literarischen Dokumente eines j?dischen Schicksals im "Dritten Reich". Das traurige Los des M?dchens, das sich zwei Jahre lang (vom 6. Juli 1942 bis zum 4. August 1944) mit ihren Eltern und Schwester Margot sowie mit vier weiteren Personen in enem Amsterdamer Hinterhaus vor den Nazis versteckt hielt und schlie?lich doch im Konzentrationslager Bergen-Belsen ums Leben kam, r?hrte Millionen Menschen in aller Welt.

Ein sehr schlichtes B?hnenbild (Rainer M?ller, Yvonne Gr?ner, Klemens Hergem?ller, Tobias Schindler) erweist sich als wirkungsvolles Stilmittel der Quasi-So-Inszenierung von Yvonne Gr?ner. Es unterstreicht die drangvolle Enge und den Behelfscharakter des Verstecks. Zugleich stellt es die handelnden Charaktere und deren Wandlung w?hrend des zweij?hrigen Zusammenlebens auf engstem Raum und in st?ndiger Angst vor der Entdeckung klar in den Mittelpunkt. Filmdokumente, die zu beiden Seiten der B?hne zu sehen sind, vermitteln authentische Bilder aus der Zeit des "Dritten Reichs" und st?tzen die eindringliche Wirkung ebenso wie die Musik und die zwischendurch vom Band eingespielten Textpassagen aus dem Tagebuch Anne Franks, gelesen von Judith Rieping. Die Auff?hrung stellte somit auch entsprechende Anforderungen an die Technik (Rainer M?ller, Moritz St?ttner, Peter Tombrink, Christopher Chambers, Manfred Hagemann, Bastian Schallenberg).

Ein kurzer Ausschnitt einer Rede Hitlers von 1933, in der dieser die "Ausrottung der Juden" postuliert, steht am Anfang des St?ckes, das mit dem 13. Geburtstag Anne Franks und dem unmittelbar folgenden "Umzug" ins Versteck beginnt. Die j?hen Wechsel zwischen freudigen und nahezu unbek?mmert scheinenden Szenen und beklemmenden Sequenzen, die Angst und Verzweiflung bis hin zur Hysterie vermitteln, ist pr?gend f?r das St?ck. Da ist zum Beispiel das j?dische Hanukka-Fest, an dem Anne ihre Mitbewohner mit kleinen Geschenken ?berrascht und sie mit ihrer anr?hrend kindlichen Freude (die Judith Rieping hinrei?end vermittelt) f?r kurze Zeit von ihren ?ngsten und Sorgen fortzwingt in einen fr?hlichen Tanz. Der endet j?h, als ein polterndes Ger?usch aus den unteren R?umen des Hauses ins Versteck dringt. Die zum Zerrei?en gespannten Nerven vor allem der Erwachsenen, die jedes laute Ger?usch fast rasend macht, sind so nachvollziehbar gespielt, dass man selbst im Publikum bei unerwarteten Ger?uschen - seien es die bedrohlich klingenden Schritte drau?en vorbeimarschierender Soldaten oder das scheppernde Fallen eines Gegenstandes - den Atem anh?lt.

Eindrucksvoll vermitteln die Darsteller, wie die Charaktere sich unter dem Druck der Umst?nde allm?hlich ver?ndern. Da sind die pessimistisch-fatalistischen Ausbr?che des Zahnarztes Albert Dussel (Ansgar Kuper), der sich eingangs gelassen gibt ("Ich kann gut mit Kindern umgehen"). Angesichts fehlender R?ckzugsm?glichkeiten und Privatsph?re reagiert er sp?ter entnervt und aufbrausend auf das kindliche Geplapper und das bisweilen sprunghafte Teenager-Verhalten Annes.

Da ist Petronella van Daan (glaubw?rdig verk?rpert von Marjorie Hagenbeck), die selbstbewusste Dame, die sich stets der Bewunderung der M?nnerwelt sicher war. Ihr lebensfrohes Gem?t wandelt sich im Versteck zu ?ngstlicher Verzagtheit mit hysterischen Ausbr?chen.
Ihren Mann Hermann van Daan (Klemens Hergem?ller), einen gestandenen Gesch?ftsmann, treibt der stetige Hunger aufgrund knapper Lebensmittelzuteilungen zum Lebensmittelklau auf Kosten der Mitbewohner. Aus dem anfangs strengen und unnachsichtigen Mann wird ein trauriges H?uflein Unbeherrschtheit.

Peter von Daan (Christopher Chambers), der anfangs verschlossene Teenager, der von seinen ?berforderten Eltern wenig Zuwendung erf?hrt, vertraut sich im Lauf der Zeit Anne an. R?hrend sind Szenen der zarten Ann?herung zwischen Anne Frank und Peter van Daan. Christopher Chambers m?chte man herzen, wenn er als der etwas einsilbige und sch?chterne Peter ungelenke Komplimente macht und im Zusammenspiel mit Judith Rieping, die die Selbstzweifel der schlie?lich 15-j?hrigen Anne mitunter in backfischhaftem Plappern formuliert, wird die r?hrende Unsicherheit der beiden jungen Menschen f?hlbar. Rieping musste sich in drei Wochen die gro?e Textmenge der Hauptrolle aneignen und sich in die Rolle einfinden, weil sie wegen einer Umbesetzung erst kurz vor der Auff?hrung ins Ensemble kam.

Ausgleichende Kraft der Notgemeinschaft ist Otto Frank (Hans-G?nther Schwarze), stets besonnen und g?tig und in der Not ?ber sich hinauswachsend. Lob verdienen alle Darsteller f?r ihre Leistung, mit der sie die Premiere zu einem lohnenden Abend machten. So auch Ilka Berkschneider als Edith Frank, Sabine Fricke als Margot Frank, Bastian Schallenberg (Harry Kraler), Anita Heck?tter-Hartel (Miep Gies) und Leonie Plaar (Jopie de Waal).