Wer hat Angst vor dem b?sen Wolf?

Ibbenb?rener Anzeiger vom 10. Mai 2006

Dieter B?hre. Ibbenb?ren. Es sind wohl die verdr?ngten fr?hkindlichen ?ngste, die sich f?r einen Erwachsenen nicht geh?ren. Deshalb wirken Martha und George, Nick und Putzi ausgesprochen l?cherlich und grotesk, wenn sie den Vers singen: ?Wer hat Angst vor Virginia Woolf??. Dabei haben die Helden von Edward Albees Meister-Drama die Hosen gestrichen voll. Haben Sie Angst vorm b?sen Wolf? Wenn Sie das - im Gegensatz zu George und Martha, Nick und Putzi - vor sich selber eingestanden haben, dann wird es ihnen leichter fallen, den gleichnamigen Psycho-Schocker zu ertragen, der ab 18. Mai auf die B?hne der Ibbenb?rener Schauburg kommt. Der ANZEIGER hat bei einer Probe zugeh?rt.

Die neueste Inszenierung des Quasi-So-Theaters der VHS unter der Regie von Rainer M?ller ist ein Ausflug in die H?lle menschlicher Boshaftigkeit und Ignoranz, aber auch Hilflosigkeit und Verzweiflung. Und: ?Wer hat Angst vor Virginia Wolf?? ist ein Liebesdrama. Und weil das so ist, bleibt am Ende das Prinzip Hoffnung. Davon sp?ter mehr.

Der Geschichts-Professor George kommt nachts mit seiner Frau Martha, Tochter des College-Gr?nders und -Leiters, von einer College-Party nach Hause zur?ck. Die Stimmung ist gereizt, beide sind alkoholisiert. Sie hat trotz der fr?hen Morgenstunde junge Leute eingeladen, Nick und Putzi, ganz offensichtlich das Publikum f?r die Rache, die sie nach jahrelanger Entt?uschung an ihrem Mann nehmen will. Mit steigender Intensit?t deckt sie vor den G?sten Schw?chen ihres Mannes auf, seine gescheiterte Karriere, seine l?cherliche k?rperliche Konstitution. Er reagiert auf die Entw?rdigungen zun?chst nur zynisch-intellektuell, dann ebenfalls zunehmend laut und gewaltt?tig.

Das junge Ehepaar steht diesem H?llenspektakel hilflos gegen?ber. Aber auch Nick und Putzi geraten in den zerm?rbenden und durch Alkohol angeheizten Sog des Psychoterrors. Schlie?lich entscheidet sich George zum letzten Mittel: Er zerst?rt die Lebensl?ge, die das Paar 21 Jahre lang zusammengehalten hat: George l?sst den gemeinsamen, aber fiktiven Sohn sterben. Seine bis dahin st?rkere Frau bricht zusammen, die G?ste gehen, und das Ehepaar bleibt zur?ck - leer, ausgebrannt.

Das ist die Stelle, an der es zwei M?glichkeiten gibt: Die eine im Sinne von Albee: Es bleibt nichts als die Hoffnungslosigkeit. Die zweite: Das Ehepaar nutzt die Situation, um auf den Tr?mmern eine neue Beziehung aufzubauen. In der Schlussszene will George seiner Ehefrau unbeholfen Trost spenden, er streichelt ihr zaghaft die H?nde. Unter der Asche ist noch Liebe. Regisseur Rainer M?ller hat sich f?r diese L?sung entschieden.

Damit sind wir bei den Darstellern: ?Wer hat Angst vor Virginia Woolf?? ist ein Fest f?r Schauspieler. Alle vier nutzen dieses Fest f?r einen wahren Sinnentaumel - gescheitert, aber grandios gescheitert. Jutta Lefmanns Martha ist, ?berzeugender als Profi-Kolleginnen in prominenten Inszenierungen, die Frau mit Stil, die b?sartig-bissig nie ins Vulg?re abrutscht. Ihr - auch im wahren Leben ? Ehemann Klaus-Peter Lefmann ist der brillante Zyniker, der bei aller Scharfz?ngigkeit einf?hlsam seine Verletzlichkeit zeigt. Da gibt es keinen Klamauk, keine rotnasige Alkohol-Clownerie, sondern ganz klassisch Wortgefechte - Florett der Sprache statt Degen. Bastian Schallenberg, der junge Dozent, laviert ?berzeugend zwischen Anpassung, schwachen Ausbr?chen von Selbstbewusstsein und halbherzigen Versuchen, seine Frau zu sch?tzen. Seine Putzi ist das k?stlich-naive, st?ndig kichernde angetrunkene Dummchen, das aber ebenfalls seine Traumata hat, zum Seelenstriptease gezwungen wird, und deshalb anr?hrend wirkt. Dieses St?ck wird ein Erfolg!