Abgrundtief in die Seele geblickt

Westf?lische Nachrichten vom 14. M?rz 2002

Gudula Benning. Ibbenb?ren. Mit einem interessanten Konzept und etlichen neuen Gesichtern pr?sentierte sich das QAUSI SO-Theater am Mittwoch im Foyer der Alten Sparkasse. Der Einakter L'Orchestre von Jean Anouilh er?ffnete den Abend. Danach hie? es "Hiergeblieben!". Die Zuschauer folgten dieser Aufforderung gern, es kamen sogar noch Neugierige hinzu. Sie erlebten Szenen aus Klassikern des Dramas, werkgertreu oder verfremdet dargestellt, ein bisschen Klamauk und Improvisation. Das Publikum applaudierte diesem Rundumschlag mit Vergn?gen, auch wenn mancher Klassiker an ein Vorsprechen an der Schauspielschule erinnerte. Abgrundtief ist der Blick, den Jean Anouilh mit seinem St?ck "L'Orchestre" in die menschliche Seele tut. Der franz?sische Dramatiker f?hrt in sch?bigem Milieu Menschen vor, die gefangen sind in ihrer Mittelm??igkeit, in Verbitterung und Beziehungslosigkeit. W?hrend sie ihre schmalzigen Melodien spielen, tr?umen sie von einem anderen Leben, in den Pausen streiten sie sich um japanische Strickmuster und provenzalische Fleischt?pfe.

Unter der Regie von Michael Kneisel wurde die Tragik dieses St?ckes leider etwas unentschlossen eingef?hrt. Der Kampf zwischen Madame Hortense (Christel M?ller) und Susanne (Susanne Scharbau) um Monsieur Leon endet mit einem Selbstmord und dem irren Blick des Klavierspielers auf alles Weibliche. Susanne Scharbau als vom Leben entt?uschte Geliebte bot eine beeindruckende Leistung. Doch um diese Rolle (und das dunkelrote Kleid) ?berzeugend f?llen zu k?nnen, ist sie einfach zu jung und zu frisch. Peter Tombrink als Monsieur Leon hatte es da schon leichter. Dessen Spanner-Phantasien wirkten gruselig-glaubw?rdig.

Mit einer be?ngstigenden Ausstrahlung ?berall gegenw?rtig war Christel M?ller als Orchesterchefin. Sie verteilte Noten und Zurechtweisungen, stach pr?zise in offene Wunden und g?nnte Einblick in ein tiefes Dekollete. W?hrenddessen offenbarten die beiden Streicherinnen (Marita Kriege als spie?ige Jungfer und Rosi Str?bbe als Tigerlilly) ihre geheimen L?ste, spannte die Fl?tistin Ermeline (Katharina Quindt) ihre naive Kollegin Leona (Lida Askari) mit endlosem Beziehungstratsch auf die Folter. Ein satirisches Spiel mit Typen, in dem die Instrumente charakteristische Akzente setzten, was wiederum verzerrt wurde durch die Auswahl der Kost?me.

Mal komisch, mal tragisch ging es nach der Pause weiter. Unter Spannung stand das Publikum bei der vierten Szene aus "Der Tod und das M?dchen" von Ariel Dorfmann, gespielt von Kathi Anlauf und Volker H?ntemeyer. F?r Lacher sorgten wenig sp?ter die dicken Freunde Jens Dierkes und Christof Hergem?ller mit dern Song des (mageren) Marius M?ller Westernhagen: "Ich bin froh, dass ich kein Dicker bin".

Ein Gl?ck war, dass sich Conferencier Klemens K?hs nicht schon nach der ersten Ansage den Hals gebrochen hatte, weil der B?hnenboden nachgab. So konnte er bei der abschlie?enden Improvisation seinen "Kameraden" Uli Walters, Stefan Holtgrave und Christof Hergem?ller helfen, das Publikum einzusch?chtern. Das erwies sich als tr?ge und humorvoll, lie? sich nur unter autorit?rem Gebr?ll neu ordnen und verfolgte am?siert bis irritiert, wie die vier schwarzen Herren nach einem jungen Mann fahndeten, der ihnen beim Kartenspiel assistierte. Und dann waren da noch das Video mit dem beichtenden K?nig auf dem Klo der Alten Sparkasse und andere schauspielerische Kostproben. Wer neugierig geworden ist, hat heute abend, am Samstag und Sonntag und am Donnerstag, 21. M?rz, jeweils um 20 Uhr Gelegenheit, selbst zuzuschauen.