Schindler glänzt in 15 Rollen

IVZ am 25. November 2013

Von Reinhard Bamming

Nichts störte, nichts erklärte, nichts wurde ausgeleuchtet, nichts verdunkelt. Alles wurde ehrlich gespielt, und zwar hatte Tobias Schindler gleich alle Rollen übernommen in der Tragödie, die schon über 2500 Jahre die Gemüter erregt. Ödipus Rex ist die tragische Figur, die zeigte, dass Menschen nicht an ihrem Schicksal drehen können. Er muss erkennen, wie blind der Sehende und wie sehend der Blinde ist. Immer wieder hat man sich in verschiedenen Epochen an dieser Vorlage versucht.

Nun also auch der Kabarettist Bodo Wartke. Tobias Schindler verschwieg die Quellen nicht, weder den Text von Bodo Wartke noch die Tragödie von Sophokles. Aber man konnte deutlich erkennen, was ihn gereizt hatte, sich dieser Aufgabe zu stellen. "Iokaste, was haste" - das ist nur ein Beispiel des lockeren Reims, den Schindler mit großer Freude und exakter Diktion auf die Bühne brachte. Wenn es sich ergab, zog er den Reim auch über den Rollenwechsel auf die nächste Person hinweg. Hirte: "Ich komme aus Korinth." Bote: "Was hast du dabei?" Hirte: "Ein Kind." Jede Person spielte er aus, kein Satz war zu kurz, um überflüssig zu sein.

Gewöhnungsbedürftig sind die Interpretationen des Orakels von Delphi und des Sehers Teiresias, weil sie etwas veralbert werden. Aber auch diese Überzeichnungen verdrängen nicht den tragischen Grundton des Stückes. Kreon tritt mit einem Rap auf und die Sphinx lässt sich problemlos in einer Handpuppe erfassen. Das Rätsel der Sphinx ist eher beiläufig lösbar: "Mensch", ruft er verzweifelt aus, und genau der ist gemeint!

Alle 15 Rollen bringt Schindler klar auf die Bühne in einer Sprache, die durch den unkomplizierten Reim kompromisslos zeitgemäß ist. Der Witz sitzt, es wird kräftig Anleihe genommen, als zum Beispiel die Pest kommentiert wird mit dem Satz: Es ist etwas faul im Staate - Theben. Und die Aussagen sind unkompliziert deutlich: "Du - als ihr Macker, du bist der Motherfucker."

Nach der Pause nimmt die Geschichte noch einmal Fahrt auf mit dem Boten aus Korinth, der sich harmlos mit "Hallöchen" einführt. Es ist faszinierend zu sehen, wie die verschiedenen Ebenen Tragödie, Kabarett und Mono-Spiel miteinander korrespondieren.

Tobias Schindler glänzt, ohne dass man den Eindruck hat, dass er sich überfordert. Der Kabarettansatz verleitet nicht dazu, das tragische Ende zu manipulieren. Die präparierte Brille half als sparsames Requisit, die Selbstverstümmelung deutlich zu machen.

Die Anerkennung durch das Publikum, ja der starke Applaus ist das Happy End einer Aufführung, die leider etwas schwach besucht war, vielleicht auch, weil man dem Klassiker nicht so einen hohen Unterhaltungswert zutraute.