„Heiße Zeiten“: Musical-Premiere in der Schauburg

Ibbenbürener Volkszeitung vom 22. September 2016

Heiße Zeitenvon Holger Luck. Ibbenbüren. Das Quasi-So-Theater begeisterte das Publikum am Mittwochabend in der Schauburg mit seiner Herbstproduktion „Heiße Zeiten“. Im ausverkauften Theater feierten die Zuschauer die Premiere der Musical-Komödie von Tilmann von Blomberg und freuten sich mit den acht Akteuren auf und über die Wechseljahre.

Die gestresste Karrierefrau, die gelangweilte Hausfrau, die distinguierte Dame mit Vaterkomplex und die verzweifelte Dauerverlobte auf dem Weg zur künstlichen Befruchtung – Das Quartett, das der Zufall am Flughafenterminal der „QuasiAir“ zusammenwürfelt, hätte nichts gemeinsam, wenn sie nicht auf denselben Flieger nach New York warten würden und wenn, ja, wenn da nicht die Wechseljahre wären. Diese durchleben gerade alle vier, eine eher am Anfang, die andere eher am Ende und zwei mittendrin. Für Gesprächsstoff während der Wartezeit ist also gesorgt. Von Vergesslichkeit, über Hitzewallungen und Depressionen bis hin zu intensivierten Bemühungen um die Schönheitspflege, wird kein Thema ausgelassen, das die „heißen Zeiten“ so mit sich bringen. Die vier nehmen dabei kein Blatt vor den Mund, diskutieren auch über Heikles, wie Harninkontinenz, Viagra und altersbedingte Gewichtszunahme. Ihre Auseinandersetzungen sind auf charmante Weise unverblümt, manchmal auch derb, aber nie zotig oder peinlich.

Heiße ZeitenVon der ersten Szene an geht das Publikum begeistert mit, honoriert die treffsicheren Pointen immer wieder mit Szenenapplaus. Die ansteckende Spielfreude der Schauspielerinnen (Kathrin Borchelt, Marjorie Hagenbeck, Kristina Freund, Manuela Schmiemann) trägt ebenso zur Wirkung des Stückes bei, wie die bekannten Melodien der 1960er- bis 1990er-Jahre. Nahezu jedem Wechseljahre-Klischee ist hier ein eigener Song gewidmet.

Die Inszenierung von Tim Rikeit und Ute Stöttner ist temporeich und zum Brüllen witzig, hat aber auch ihre stillen Momente. Wenn es um den nicht verwirklichten Lebenstraum, Beziehungsunfähigkeit, den unerfüllten Kinderwunsch oder das schwierige Verhältnis zum Vater geht, helfen sich die vier, indem sie einander (manchmal) zuhören und (immer) gute Ratschläge geben.

Eigentlich muss man sich „Heiße Zeiten“ mehrmals anschauen, will man wirklich alle (zum Teil versteckten) Gags mitbekommen. Allein in dem von Imke Strothmann perfekt gestalteten Flughafenterminal gibt es immer wieder neue Details zu entdecken. Ein besonderer Genuss sind auch die hervorragend besetzten Nebenrollen: Die von Omar Al Na’eb und Manfred Hagemann gespielten Flughafenmitarbeiter, die die Gespräche der Damen mit süffisanten Durchsagen kommentieren, die allgegenwärtige Putzfrau (grandios: Thomas Wieschebrock) und die nervige Kiosk-Verkäuferin (Verena Kipp), die zu jedem Thema das passende Produkt anpreist.

Am Ende haben sich die Probleme für die Alltagsheldinnen sicher nicht in Luft aufgelöst. Und doch hat sich durch die zufällige Begegnung manches verändert. „Jetzt oder nie – Aussicht wechselhaft“, singen sie. Mit den alten Problemen, aber auch mit neuer Kraft und Zuversicht, gehen sie in die Zukunft: „Die Wechseljahre sind nicht das Tor zur Hölle“ heißt es einmal. Man nimmt es ihnen gerne ab, wenn sie als Zugabe noch einmal singen: „Ich freu mich auf die Wechseljahre, denn das sind die fetten Jahre.“

Ibbenbürener Volkszeitung vom 22.09.2016