Tödliches Konjunkturpaket

"mittdendrin" im März 2009 

Da hat jemand beim Ibbenbürener Quasi So-Theater ganz offensichtlich ein feines Gespür für die Entwicklungen der Zeit gehabt. Gerade hat die Große Koalition in Berlin das Konjunkturpaket in Höhe von 50 Milliarden mit kaum nachahmbarer Lässigkeit durchgewinkt - nun gut, die monetäre Lockerungsübung von 500 Milliarden für schlecht gemanagte Banken hatten die Lenker der deutschen Geschichte bereits hinter sich -, da steht für den März ein Stück auf dem Spielplan des Bühnenensembles, in dem es ebenfalls um eine Konjunkturankurbelung geht - wenngleich um eine der etwas anderen Art: Gleich achtmal wird das Quasi So-Theater im März Friedrich Dürenmatts bitterböse tragische Komödie "Der Besuch der alten Dame" auf die Bühne der altehrwürdigen Ibbenbürener Schauburg bringen. Ein Stück, welches auf drastische Weise deutlich macht, dass mitunter ein hoher Preis zu zahlen ist, bevor jemand das Füllhorn ausschüttet.

"Der Besuch der alten Dame", neben "Die Physiker" ein Paradedrama des 1990 verstorbenen Schweizer Schriftstellers Dürenmatt, erzählt von einem Besuch der Milliardärin Claire Zachanassian in ihrem früheren Heimatort Güllen. In Güllen, einer verarmten Kleinstadt, hat die inzwischen so begüterte wie betagte Dame einst ihre Jugend verbracht. Mit dem Ort verbindet sie jedoch auch eine für ihr eigenes Leben folgenschwere Episode: Claire wurde als junge Frau von dem Güllener Alfred Ill schwanger - doch der stritt die Vaterschaft ab, bestach Zeugen und ging so aus einem von Claire angestrengten Gerichtsverfahren als Sieger hervor. Die junge Frau, völlig mittellos, musste daraufhin ihre Heimatstadt verlassen.

In "Der Besuch der alten Dame" zeigt Dürenmatt mit geradezu brutalem Gespür für menschliche Abgründe ein am Ende tödliches Zusammenspiel von Reichtum, Armut, Gier und zerbröselnder Moral auf: Die Güllener hoffen auf eine Finanzspritze durch Claire Zachanassian - die wiederum sinnt auf Rache für das ihr einst zugefügte Unrecht. Die alte Dame bietet den Güllenern schließlich ein Konjunkturpaket an, von dem heutige deutsche Kommunen nur träumen können: eine Milliarde. Voraussetzung: Alfred Ill muss getötet werden. Zuerst lehnen die Güllener die zweifelhafte finanzielle Offerte in moralischer Empörung ab. Doch schon bald opfern sie ihr Gewissen - und das Leben ihres schuldig gewordenen Mitbürgers Ill - der Aussicht auf Reichtum.

Es ist alles andere als leichte Kost, die das Quasi So-Theater mit Friedrich Dürenmatts "Der Besuch der alten Dame" diesmal auf die Bühne bringt. Eine gute Wahl - und eine echte künstlerische Herausforderung - ist dieses Stück aber allemal.