Phantastischer Saison-Auftakt f?r das Quasi So-Theater

Ibbenb?rener Volkszeitung vom 15. Oktober 2005

Marianne Laun. Ibbenb?ren. Solch einen Auftakt w?nscht sich wohl jedes Theater: Eine Menschenschlange zieht sich lange vor Beginn bis auf die Strasse, an der Kasse kann man kaum schnell genug Karten verkaufen und Pl?tze zuweisen, im Foyer stehen die Besucher dicht an dicht und unterhalten sich erwartungsvoll und gleichzeitig entz?ckt oder in Erinnerungen schwelgend ?ber die Spielst?tte. Genau das war dem Quasi So-Theater bei der Premiere von "Bunbury oder wie wichtig es ist Ernst zu sein" beschieden - und das nach einer gewaltigen Kraftanstrengung bei der gelungenen Renovierung und nur eine Stunde nach dem Auswringen des letzten Wischmops!

Am Donnerstag hie? es dann B?hne frei f?r die schlanke, allen Ballasts entledigte Inszenierung des "Bunbury" unter der versierten Regie von Klemens Hergem?ller. Er legt ein St?ck vor, das insgesamt vorlagengetreu ist, aus dem er aber alles ?berfl?ssige und heutzutage Unbekannte gestrichen hat. Das Ergebnis ist eine spritzige und kurzweilige Gesellschaftskom?die, die die gesellschaftlichen Zw?nge und die h?chst fragw?rdige Moral des viktorianischen Zeitalters in h?chst geistreicher Weise aufs Korn nimmt. Unverkennbar ist aber auch, dass die Erkenntnisse und Wahrheiten eines Oscar Wilde auch heute noch zutreffen. Mit spielerischer Leichtigkeit repr?sentieren die Darsteller die Angeh?rigen der feinen viktorianischen Gesellschaft, die sich ?ber Geld, die richtige Adresse, einen ad?quaten Stammbaum und vielleicht den richtigen Namen definiert. Dabei schenkt man der Situationskomik und dem Sprachwitz gr??te Aufmerksamkeit, ohne dabei statisch zu werden. Tempo und Bewegung charakterisieren die verzweifelten Bem?hungen der beiden Gentleman-Dandys Algernon (Hans-G?nter Schwarze) und Jack (Marc Schmiedel) sich durch "Bunburysieren", das hei?t durch ein verzwicktes L?gensystem mit fiktiven Personen, das stets in Gefahr ist aufzufliegen, Freir?ume au?erhalb der gesellschaftlichen Konventionen zu schaffen. Das Gleiche gilt f?r das d?mmlich-kokette Verhalten der heiratswilligen (oder -w?tigen) jungen Damen Gwendolen (Claudia Agternkamp) und Cecily (Ilka Bergschneider). Raumgreifende Aktionen kennzeichnen auch den nach au?en hin so religi?s-besorgten Pastor Dr. Chasuble (Siegfried Grau), der stets betont, dass er im Z?libat lebt, und gleichzeitig ein ?berdeutliches unreligi?ses Interesse an Cecilys altj?ngferlicher Gouvernante Miss Prism zeigt, die ihrerseits den Pastor allzu gern ermutigt ("Einen Misanthropen kann ich noch verstehen, einen Frauenthropen nicht.").

Lediglich eine bestechende Lady Bracknell (Ingeborg Grau) beansprucht im St?ck nahezu einen einzigen Platz - n?mlich auf einem verschn?rkelten Stuhl, von dem aus sie mit Kalk?l und herausragender Sprachgewandtheit alle anderen herumkommandiert und ihrer Stellung bewusst ( "Wenn die unteren Schichten uns kein gutes Beispiel geben - wozu sind sie dann da?") stets auf gesellschaftliche Korrektheit bedacht ist. Als Art Gegenst?ck fungiert der proletarische Diener Lane beziehungweise der blasierte Butler Merriman (hervorragend Patric Sohrt), der ?berall und immer pr?sent ist und alle Finessen der so genannten feinen Gesellschaft kennt.

Diese Inszenierung zeichnet sich durch die feinsinnige Interpretation der Vorlage, durch enthusiastische aber sehr disziplinierte Darsteller mit teilweise umwerfender Mimik und ausgefeilter K?rpersprache aus. Die aufw?ndigen Kost?me geben den Figuren noch das gewisse unverzichtbare Etwas, das neben dem perfekt proportionierten, auf ?berfl?ssigen Schnickschnack verzichtenden B?hnenbild und der gut funktionierenden Lichttechnik einen sehr am?santen und eindrucksvollen Theaterabend in besonderer Atmosph?re garantiert.