Quasi So-Premiere: "War det nich wundascheen?"

Ibbenb?rener Volkszeitung vom 26. September 2008

Simon T?nies. Ibbenb?ren. Alle Jahre wieder bringt das VHS-Ensemble "Quasi-So" zusammen mit der Musikschule Ibbenb?ren ein Musical im ganz gro?en Stil auf die B?hne. Mit "My Fair Lady" feierte am Mittwoch gleich einer der bekanntesten und erfolgreichsten Broadway-Klassiker im B?rgerhaus Premiere. Keine Frage ? Glanz und Prestige des Titels wecken hohe Erwartungen. Denen wurde das Laienensemble mit dem gelungenen Auftakt nicht nur gerecht, sondern ?bertraf sie in vielerlei Hinsicht sogar noch. Knapp drei Stunden lang zogen Darsteller und Musiker den leider nur zur H?lfte gef?llten Saal in ihren Bann.
 
Das Musical "My Fair Lady" ist eine musikalische Bearbeitung der f?nfaktigen Kom?die "Pygmalion" vom irischen Zyniker George Bernard Shaw. Sp?testens seit der preisgekr?nten Verfilmung mit Audrey Hepburn verdr?ngte die Musicaladaption das Originalwerk von der B?hne. Die Geschichte ist in London Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts angesiedelt. Der durch und durch egozentrische Phonetik-Professor Henry Higgins (Marc Fischer, Michael Niepel) trifft auf der Stra?e das Blumenm?dchen Eliza Doolittle (Anna-Doris Capitelli, Nicole Behnke), deren ordin?res Cockney-Englisch (in der deutschen Fassung dank "Berliner Schnauze" nicht minder komisch) ihn fasziniert. Mit seinem Kollegen Oberst Pickering wettet Higgins, er k?nne aus dem vorlauten M?dchen binnen k?rzester Zeit eine Dame machen. Eliza l?sst sich auf das Experiment ein, da sie hofft, mit dem winkenden Reichtum einen Blumenladen er?ffnen zu k?nnen. Higgins erweist sich dabei als ?beraus gef?hlskalter Lehrer, und die ?berforderte Eliza macht kaum Fortschritte. Eines Abends jedoch gelingt das Wunder: Akzentfrei spricht sie den ber?hmten Satz "Es gr?nt so gr?n, wenn Spaniens Bl?ten bl?hen" und scheucht vor Euphorie trampelnd prompt Mrs. Pearce, Higgins? resolute Haush?lterin (Ingeborg Grau), aus dem Bett. Bei einem Pferderennen wird Eliza nun erstmals einer kleinen, vornehmen ?ffentlichkeit vorgef?hrt. Dort macht ihr der junge Freddy Eyensford-Hill (Sven Leimann) Avancen, was den eingefleischten Junggesellen Higgins jedoch kaum st?rt. Auf dem Ball der Botschafter beweist die verwandelte Eliza ihre Salonf?higkeit und kann selbst den bekannten ungarischen Wissenschaftler Zoltan Karpathy (Patrick Sohrt) t?uschen, der daf?r bekannt ist, sonst jeden Empork?mmling sicher zu entlarven.

F?r Higgins und Pickering ist das Experiment gegl?ckt, im Freudentaumel beweihr?uchern sie sich gegenseitig. Was aus Eliza wird, interessiert sie jetzt nicht mehr. Tief verletzt und w?tend verl?sst sie Higgins? Haus und geht zu seiner verst?ndnisvollen Mutter (Eva Bachmann). Erst jetzt, wo alles zu sp?t scheint, erkennt der Professor, was er f?r sein "Blumenm?dchen" empfindet und versucht, sie zur?ckzugewinnen.

In der Titelrolle war die junge Anna-Doris Capitelli der Star des Abends. Ihre oftmals emotionalen Lieder verlangten ihr eine enorme, stimmliche Spannweite ab, von emp?rten Hasstiraden wie in "Wart?s nur ab" bis hin zu jauchzender Gl?ckseligkeit, wenn beispielsweise "Spaniens Bl?ten bl?hen". Ihre geschulte Sopranstimme konnte sich zwar, bedingt durch ihren kecken und ungezogenen Charakter, nur selten richtig entfalten, ihrer Rolle wurde sie aber dadurch zu jeder Zeit gerecht. Auch ihrem Gegenpart, Marc Fischer in der Rolle des Henry Higgins, mangelte es nicht an B?hnenpr?senz. Sein k?hler Intellekt, sein ungehobelter Charme brachten das Publikum immer wieder zum Schmunzeln. Zungenbrecher-Texte und Sprachakrobatik vor allem in den Liedern, meisterte er scheinbar spielerisch. Michael Kneisel verk?rperte den gutm?tigen Oberst Pickering am?sant und gem?tlich, stets mit einer Tasse Tee oder ? stilecht ? der "Financial Times" in der Hand. Witzig und vor fr?hlicher Direktheit strotzend waren die Auftritte von Robert Rickert (er teilt sich gleichzeitig die Regie mit Ulla Dorenkamp) als Elizas Vater Alfred P. Doolittle. F?r seine erfrischenden Einlagen gab es reichlich Applaus und Gel?chter.

Ein Augenschmaus ist das bunte B?hnentreiben: B?hnenbild (Thomas Buller, Rainer M?ller) und Kost?me (Ute St?ttner) versetzten mit nicht enden wollender Detailverliebtheit in die Zeit von vor hundert Jahren zur?ck. R?schen, Spitzenschirmchen, ausladende Damenh?te, Frack und Zylinder der feinen Gesellschaft kontrastierten mit den einfachen Lumpendecken und Lederstiefeln der armen Schlucker in den Slums, von denen sich Eliza mehr und mehr entfremdet.

Die Massenszenen auf der Stra?e sind durch ausgefeilte Choreografien (Kristina Freund, Hildegard Kasten) ein besonderer Hinkucker. Wirkungsvoll inszeniert war das Aufeinanderprallen der sozialen Schichten in einer Szene, in der Lady Eliza mit ihrem Verehrer Freddy noch einmal ihre alten Stra?enfreunde aufsucht. Die Reprise des sehnsuchtsvollen Liedes "W?re det nich wundascheen", im Wechsel zwischen Chor und der ver?nderten Eliza weckt in ihr melancholische Erinnerungen. Es wird ihr bewusst, dass ihr Platz nun ein anderer geworden ist ? eine ausgesprochen starke Szene. Da lie? es sich dann auch leicht dar?ber hinwegsehen, dass in einer Schl?sselszene der Pantoffel des Professors fehlte, der demselben eigentlich energisch vor die F??e h?tte geknallt werden wollen. Capitelli und Fischer lie?en sich jedoch davon nicht aus der gespielten Unruhe bringen und kaschierten den kleinen Premierenpatzer professionell.

Was w?re ein Musical ohne Musik? Die Evergreens aus "My Fair Lady" live vom Jugendsinfonieorchester der Musikschule zu h?ren, war wie immer ein besonderes Erlebnis. Wolfgang Donnermeyer hatte die umfangreiche Originalpartitur in monatelanger Arbeit mit dem Ensemble einstudiert; Rolf Jan?en-M?ller ?bernahm die musikalische Leitung und hatte die Gesangnummern bei den fr?hen Proben ohne Orchester am Klavier begleitet. Bei der vergleichsweise kurzen Ouvert?re bekam das Orchester gleich zu Anfang vor geschlossenem Vorhang alle Aufmerksamkeit, die es verdiente. Auch der gro?e Chor (Leitung: Eva Bachmann) ?berzeugte immer wieder durch kraftvollen Gesang und mehrstimmige Brillanz.

Bei aller inszenatorischen Sorgfalt in dem Bestreben, der Film- bzw. Musicalvorlage gerecht zu werden, h?tte vielleicht die ein oder andere frische Idee mit der Handschrift des etablierten Regieduos Dorenkamp und Rickert dem B?hnenwerk noch zus?tzlichen Reiz verschafft. Dieser kleine Wermutstropfen tat dem Unterhaltungswert der Gro?produktion am Ende jedoch keinen Abbruch. Dass eine Laiengruppe eine solch aufw?ndige Produktion mit sp?rbarer Leidenschaft und Herzblut auf die Beine gestellt hat, verdient h?chsten Respekt und wurde von den Zuschauern mit begeistertem Stehbeifall und Jubelrufen honoriert. So blieb schlie?lich auch nur noch eine Frage offen, die aus dem Mund von Higgins diesmal zugleich St?ck und Auff?hrung pointierte: "Wo zum Teufel sind meine Hausschuhe?!"