Beklemmendes Experiment eindringlich dargestellt

Ibbenb?rener Volkszeitung vom 29. Oktober 2001 

Annette Kleinert. Ibbenb?ren. Das Quasi So-Theater der Volkshochschule steht f?r anspruchsvolle Unterhaltung und behauptet inzwischen seinen festen Platz im Kulturkalender. Im Rahmen der Aktionen "gegen Rechts" gab es am Freitagabend die Premiere nach Morton Rhues Novelle "Die Welle" in der ?berf?llten Alten Sparkasse. Unaufdringlich, aber eindringlich gelang der jungen Mannschaft des Regieteams Marc Schmiedel und Rainer M?ller die Darstellung [einer] Klassengemeinschaft mit Cliquenwirtschaften und Vorurteilen. So cool und modern, dass niemand glauben m?chte, diese jungen Leute k?nnten die Fehler ihrer Gro?eltern wiederholen. Doch das Unvorstellbare tritt ein. Geschichtslehrer Ben Ross (Ansgar Kuper formidabel in seiner Rolle mit enormer Textf?lle) f?hrt seine Klasse in einem beklemmenden Experiment in eine starke Abh?ngigkeit.

F?r ihren "F?hrer" tun die Sch?ler schlie?lich alles. Ohne sie zu hinterfragen, befolgen sie "Regeln" und ergeben sich einem manipulativen Machtmissbrauch. "Die Welle" erz?hlt die Geschichte einer Gruppe, die sich mit Leits?tzen stark f?hlt: "Macht durch Disziplin", "Macht durch Gemeinschaft", "Macht durch Handeln" und schlie?lich Gru?rituale und einheitliche Uniformen heben den Gemeinschaftsgeist auf Kosten selbstst?ndigen Denkens und individueller Urteilsf?higkeit. Der Zwang der Gruppe wird schlie?lich so stark, dass einzelne auch vor Gewalt nicht zur?ckschrecken, um die Gruppenziele durchzusetzen. Eine Schl?sselszene ist die Auseinandersetzung zwischen Laurie und David (echt und ?berzeugend: Kathie Anlauf und Hauke Holtkamp). Sch?lerzeitungs-Redakteurin Laurie will ihre Unabh?ngigkeit nicht aufgeben, f?hlt sich in der Gruppenbewegung immer unwohler, hinterfragt Zielsetzungen und Methoden. David hingegen ist v?llig von der "Welle" ?berzeugt und greift Laurie wegen ihres freiheitlichen Denkens heftig an. Die Szene gipfelt in k?rperlichen Attacken, David wirft Laurie schlie?lich zu Boden. Das war so gut gespielt, dass aus dem Zuschauerraum echtes Entsetzen kam. Auch im St?ck ist dies der Wendepunkt. Laurie und ihre Freundinnen und nun auch David merken, wohin die "Welle" f?hren kann und helfen Ben Ross, das Experiment zu beenden.

Die haupts?chlich jugendlichen Darsteller boten tolles Theater, unaffektiert und echt wirken ihre Rollenverk?rperungen, gut akzentuiert, ohne aufgesetzt zu wirken, ihre Sprache. In der undankbaren Rolle des typischen Underdogs muss noch Robert (alias Volker H?ntemeyer) erw?hnt werden, der seine Anpassungsf?higkeit auf die Spitze treibt. Der ewige Au?enseiter findet kein Ma? und erlebt das Ende der "Welle" schlie?lich als bittere Niederlage.

Gut in die Szenen eingebaute Bewegungsabl?ufe und eine sorgf?ltig eingesetzte K?rpersprache erzielten Spannung, verdeutlichten glaubw?rdig die unterschwelligen Gef?hle aller Akteure: L?ssigkeit, Arroganz, Engagement und die Angst, ein Au?enseiter zu sein. Die manipulative Kraft von Sprache kam besonders intensiv. zum Ausdruck. Nicht in den Parolen der "Welle" wird Gewaltbereitschaft signalisiert, sondern ausgerechnet in Freizeitfloskeln und wenn es um Sport geht: "Den Gegner angreifen, vom Platz fegen und platt machen" ist Alltagssprache. Weitere Auff?hrungen: 1. bis 4. November um 20 Uhr in der Alten Sparkasse.