Theater-Nachwuchs setzt starke Akzente Quasi-Jugend-Sommercamp mit "Zeitreise in die Vergangenheit"

Ibbenbürener Volkszeitung vom 27. Juli 2010

Von Wilm Froese. Ibbenbüren. Orpheus trauert um Eurydike, Mozart stirbt an Gift und die tanzenden Passagiere der Titanic versinken im Meer. Lauter Geschichten ohne echtes Happyend präsentierten 13 Teilnehmer am „Quasi-Jugend-Sommercamp" 2010 am Samstagabend in der Schauburg. Als „Zeitreise in die Weltgeschichte" hatte man mit den beiden ebenfalls noch jugendlichen Leitern Tobias Schindler und Tobias Stöttner acht Ereignisse, die jeder kennt und die keiner Erläuterung bedürfen, in Szene gesetzt.

Dabei kam es sicherlich nicht darauf an, die Winkelzüge, die schließlich zur Kreuzigung Jesu führten, oder den gesamten Komplex der Christen-, Hexen- oder Judenverfolgung in Kurzfassung abzuhandeln. Und ein perfektes Theaterereignis wird wohl niemand erwartet haben. Die „Quasi Jugend", die sich teilweise schon seit mehr als einem Jahr immer wieder zu Projekten trifft, benutzte die selbst geschriebenen Themenanrisse, um typische schauspielerische Übungen oder technische Notwendigkeiten im konkreten Spiel vor Publikum auszuprobieren.

Ob nun angehender Schauspieler, Regisseur oder Techniker und Kostümbildner, hier standen alle auf der Bühne. Zunächst einmal die beiden Tobis. Der joviale Schindler und der asketische Stöttner bildeten ein herrliches Moderatorenpaar, das nach Netzer-Delling-Methode sachliche Information und persönliche Sticheleien verband. Ihre fast ständige Anwesenheit auf der Bühne bewies den Zuschauern, darunter viel Verwandtschaft der Akteure, dass die Abläufe des Abends auch ohne Aufsicht klappten.

Einziger Wermutstropfen war die Sprache, an der die beiden ebenso wie ihre Schützlinge noch viel zu arbeiten haben. Im Bereich der Ausdruckskraft im stummen Spiel war aber Hervorragendes zu sehen. Nur als Beispiel Christus am Kreuz oder die als Hexen im Feuer leidenden Frauen und besonders Kaiser Nero im Circus Maximus, „die Lippen bleich, die Stirne kraus, das junge Herz so freudensatt", wie es in einer Ballade hieß.

Starker Ausdruck durch nahezu expressionistische Bewegungen im Zusammenspiel mit modernem Tanz illustrierte den Untergang der Titanic. Ein wenig davon hätte der Klage des Orpheus gut getan. In dieser ersten Szene war noch viel Nervosität, sodass die Übung im Aufrechterhalten von Spannung den Bogen ein wenig überspannte. Andererseits waren die ebenfalls im Team gestalteten Kostüme bemerkenswert.

Präzision und Präsenz waren in den beiden letzten Szenen gefragt. „Schule früher" erinnerte an Karl Valentins „siebenjährige Zuchthausstrafe" und an die kabarettistische Verarbeitung derselben. Da ging es zwischen Lehrerin und Schüler wie Pingpong-Bälle hin und her. Es gab also auch Humoriges inmitten von viel Tragik. Ein richtiges Happyend hatte allerdings die Schulstunde erwartungsgemäß auch nicht.

Regelrecht beeindruckend war die Art, wie in der „Anne Frank"-Szene das Publikum gefesselt wurde, obwohl die Texte schwer verständlich waren. In „Mozarts Tod" nutzten – wie schon bei „Nero" und „Titanic" – die beiden Spielleiter Fähigkeiten aus, die die Quasi-Talente schon mitgebracht hatten, Tanz und Klavierspiel. Dieser Mozart starb beim „Türkischen Marsch", der sich grotesk und kläglich verlangsamte bis zum Abbruch.

Wenn die Talentscouts des Quasi-So-Theaters sich noch einmal einen Überblick verschaffen wollten, gab „Thriller" von Michael Jackson die letzte Gelegenheit. Beim Tanz des ganzen Sommercamp-Ensembles bekam man nicht nur einen guten Eindruck vom Bewegungspotenzial, sondern auch das ganze Arsenal von Beleuchtung und Nebelmaschinen zu sehen. Wenn man da nicht für jeden Platz in einer Theaterproduktion ein Nachwuchstalent findet, wo dann? Und da das Quasi-Jugend-Sommercamp nach Teilnehmeraussage außerdem viel Spaß gemacht hat, wird man viele der Teilnehmer bald besser kennenlernen.