Quasi So brilliert mit Elling-Premiere

Ibbenbüren. Wo ist im menschlichen Dasein die Grenze zwischen "Normal" und "Verrückt"? Darüber haben sich schon viele Menschen Gedanken gemacht - auch in Literatur und Film. Der norwegische Schriftsteller und Drehbuchautor Axel Helstenius lässt in dem Schauspiel "Elling" die Darsteller auf diesem schmalen Grat wandern, immer der Gefahr des Abstürzens ausgesetzt. Doch auch Höhenflüge sind denkbar, wie das Stück zeigt.

Darin wird zwei ehemaligen Insassen der Psychiatrie zur Resozialisierung eine gemeinsame Wohnung in Oslo zugewiesen. Obwohl Elling und Kjell Bjarne sich schon im "Kurzentrum Brøynes" ein Zimmer teilten, gestaltet sich das Zusammenleben in der "Freiheit" schwierig. Scheinbar alltägliche Verrichtungen wie Einkaufen oder Telefonieren werden zu unüberwindlichen Hürden. Ein Besuch im Restaurant wäre zum Desaster geraten, hätte nicht die hilfreiche Kellnerin im Dirndl (Verena Lücke) die Situation entspannt.

Sozialarbeiter Frank Åsli (Frank Bülter), der ihnen die ersten Schritte in die Normalität erleichtern soll, hat selbst einige Probleme, die er hinter einer betont forschen Fassade versteckt. Nur kurz lässt er erkennen, dass auch bei ihm nicht alles normal ist. Elling (Dennis Rohling), durch jahrelanges Zusammenleben mit seiner dominanten Mutter geschädigt, trifft auf Kjell Bjarne (Stefan König). Dessen Eltern haben großen Anteil an seinem gestörten Verhältnis zur Welt. Das exzellente Spiel der beiden Hauptdarsteller zeigte sowohl die Tragik der vermeintlich psychisch kaputten Gestalten als auch einen heiteren, gelösten Blick auf das Leben.

Das Stück basiert auf der Romanserie "Elling" des norwegischen Autors Ingvar Ambjørnsen, die in Norwegen jedes Kind kennt, wie der Schriftsteller in einem Interview zufrieden feststellte. Der gleichnamige Film von Petter Næss ging um die Welt und wurde für einen Oscar nominiert.

Die Inszenierung des Quasi-So-Theaters musste keinen Vergleich scheuen, sie war brillant. Die Schauspieler, bühnenerfahren und schon in anderen Stücken in Ibbenbüren zu sehen, waren allen darzustellenden Verrücktheiten gewachsen. Elling wälzte sich so authentisch in einem vorgetäuschten Herzanfall, dass der Gedanke an einen Anruf beim Notdienst nahelag. Und die bemitleidenswerte Nachbarin Reidun Nordstetten (Frauke Lefmann) war in sturzbetrunkenem Zustand sehr überzeugend. Kjell Bjarne fand in ihr eine Person, für die er Verantwortung übernehmen und endlich sein Verhältnis zu Frauen neu ordnen konnte. Ist auch günstiger als Telefon-Hotlines.

Das Premierenpublikum freute sich mit den beiden liebenswerten Sonderlingen über jeden erfolgreichen Schritt zurück zur Normalität. Elling entdeckt schließlich seine Berufung zum Dichter. "Oh Gott, ich habe Poesie erschaffen", schreit er seine Lust aufs Schreiben hinaus. Als "Untergrundpoet" will er künftig gelten. Seine Gedichte signiert er mit "E." und versteckt sie im Supermarkt, eingewickelt in Sauerkrautverpackungen. Verrückt, aber es gibt Absonderlicheres in der Literatur, wie Elling auf einem Dichtertreffen festgestellt hatte.

Vielschichtig ist die Handlung, sie gibt den Darstellern Raum, um ihr großes Können in Sprache, Gestik und Mimik zu zeigen. Perfekt in Szene gesetzt wurde das Ganze von den Regisseuren Ulla Dorenkamp und Robert Rickert. Das Bühnenbild von Imke Strothmann und die Kostüme (Ute Stöttner) trugen zum Erfolg bei, indem die Eigenheiten der Handlungsorte und Figuren unterstrichen wurden. Von den etwa 120 Zuschauern gab es viel Beifall für einen unterhaltsamen Theaterabend.