Mit Witz, Tempo und jeder Menge Charme

Ibbenb?rener Volkszeitung vom 13. Oktober 2007

Simon T?nies. Ibbenb?ren. Colin Higgins "Harold and Maude ist l?ngst zu einem Klassiker der neueren Film- und Theatergeschichte geworden und findet seit dem Kinoerfolg in den siebziger Jahren immer wieder seinen Weg auf B?hnen aller L?nder und Sprachen. Zum Saisonauftakt feierte das Quasi-So-Theater Ibbenb?ren am Donnerstagabend in der Schauburg die Premiere der von Ulla Dorenkamp geleiteten Inszenierung. Die monatelange Proben- und Vorbereitungsphase hat sich gelohnt: Dem Laienensemble gelang eine gewohnt professionell anmutende Darbietung, die mit viel Witz, Tempo und Detailreichtum das Publikum in ihren Bann zog.

Ohne Umschweife beginnt das St?ck gleich mit einem vermeintlichen Selbstmordversuch, einem am Strick h?ngenden Harold, in tiefrotes Licht getaucht und mit d?sterer Musik untermalt. Es folgen gut zwei Stunden bester Unterhaltung, wobei der schwarze Humor zwar stets pr?sent ist, jedoch nie von dem sensiblen Inhalt ablenkt.

Das St?ck erz?hlt die Geschichte des 19-j?hrigen Harold Chasen (Andr? Rulofs), der sich am liebsten mit m?glichst realistischen Inszenierungen des eigenen Todes besch?ftigt. Von seiner egozentrischen allein erziehenden Mutter (Ingeborg Grau) wird das allerdings nur k?hl ignoriert. Auf einem Friedhof lernt er eines Tages Maude (Marjory Hagenbeck) kennen, eine vor Fantasie und Lebendigkeit strotzende 79-J?hrige, die es sich fortan zur Aufgabe macht, dem todessehns?chtigen Mann die Freude am Leben zu vermitteln. Es entwickelt sich eine ungew?hnliche Liebesbeziehung des ungleichen Paars, welches sich so zumindest kurzzeitig ?ber jegliche Konvention hinwegsetzt.

Die starke Charakterentwicklung des Teenagers wird von Rulofs ?berzeugend verk?rpert und spiegelt sich auch im Kost?m wider: Aus schwarzem Hemd, Jacke und Hose wurden Jeans, Streifenpullover und mitunter sogar ein lila Bademantel. Auch Marjory Hagenbeck meistert ihre gro?e Rolle mit Bravour und verspr?ht einen Charme und Optimismus, der nicht nur bei Harold und dem hochn?sigen Inspektor (Patric Sohrt) wahre Wunder wirkt, sondern auch beim Zuschauer ?berkam. ?berhaupt passten die Rollen den Schauspielern wie angegossen: Seien es nun Mrs. Chasen, deren Selbstverliebtheit und Spie?igkeit von Ingeborg Grau herrlich ?berspitzt dargestellt wurde oder die drei Damen Silvie (Verena L?cke), Nancy (Manuela Schmiermann) und "Sunshine" (Frauke Lefmann), die bekannte Stereotypen auf den Punkt genau karikierten. Das Gel?chter war gro?, als beispielsweise die verklemmte Sekret?rin Nancy kichernd und peinlich ber?hrt um ein drittes St?ckchen Zucker bittet oder sich die etwas zu ambitionierte Schauspielerin "Sunshine" in der Rolle von Shakespeares Julia verliert.

Die einzelnen Szenen hatten ein angenehm straffes Tempo und warteten meist mit einer besonders pr?gnanten Schlusspointe auf. Perfektes Timing wurde den Schauspielern in einer Liebesszene zwischen Harold und Maude abverlangt: Die im Hintergrund laufende Chopin-Nocturne schloss exakt zum Szenenwechsel. Auch B?hnenbild (Rainer M?ller) und Kost?mierung (Ute St?ttner) punkten durch aufw?ndige und liebevolle Details. Die zweigeteilte B?hne kontrastiert die konservative Welt, in der Harold gefangen ist, auf der einen Seite mit der Welt Maudes auf der anderen. Nebenschaupl?tze werden durch farbig beleuchtete Milchglasscheiben in der Mitte angedeutet, die gleichzeitig beide Welten voneinander abgrenzen. Immer wieder wird an kleinen Akzenten wie Internet, Mobiltelefonen oder Fernbedienungen deutlich, dass die Handlung, die urspr?nglich in den Siebzigern spielt, von Dorenkamp behutsam in die Neuzeit verlegt wurde.

Die Akustik war trotz Verzicht auf Mikrofone ausreichend, um auch aus hinteren Reihen noch jedes Wort zu verstehen. Nur manchmal, wenn zu dem Gesprochenen noch Nebenger?usche oder Hintergrundmusik kamen, gab es Verst?ndnisschwierigkeiten.

Das Ende lie?, nach Darstellerischer H?chstleistung von Andr? Rulofs, den Zuschauer einen Interpretationsspielraum, der zum Nachdenken anregte. F?r die ?u?erste gelungene Premiere gab es stehende Ovationen und Blumenstr?u?e. Die Begeisterung stand auf allen Gesichtern. Und als der Vorhang sich zum letzten Mal geschlossen hatte, konnten sich auch die Ensemblemitglieder den einen oder anderen Erleichterungsjauchzer nicht verkneifen.