Bissige Gesellschaftsspiele und geplatzte Tr?ume

Ibbenb?rener Volkszeitung vom 20. Mai 2005

Marianne Laun. Ibbenb?ren. Es war eine absolut fulminante Premiere, mit der ein kleines Ensemble des Quasi So Donnerstagabend in der Schauburg seine etwa sechzig bis siebzig Zuschauer restlos begeisterte. Mit "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?" hatte man sich eingereiht in die Garde derer, die sich mit diesem bissigen und garstigen, aber auch sehr aufrichtigen Drama des amerikanischen Dramatikers Edward Albee auseinandergesetzt haben.

Gesellschaftskritische Desillusionierung und ein landl?ufiges Thema (Anatomie einer Ehe) kennzeichnen das St?ck, das schon sehr oft gespielt worden ist und von jeher einander widersprechende Empfindungen ausl?ste. Man erinnert sich unweigerlich an gro?e Namen wie die des Ehepaars Liz Taylor/Richard Burton, die mit der Verfilmung einen gro?en Erfolg feierten. Gleichzeitig beeinflussten und festigten Taylor/Burton mit ihrer extrem intensiven Darstellung des College-Professors George und seiner frustrierten Ehefrau Martha nachhaltig die Vorstellung vom Aussehen und Benehmen der vier auftretenden Personen.

Doch das Ehepaar Jutta und Klaus-Peter Lefmann als Martha und George, Verena L?cke und Bastian Schallenberg als das junge P?rchen Putzi und Nick und der Regisseur Rainer M?ller, der mit dieser Inszenierung eine hervorragende Arbeit pr?sentiert, hatten keine Angst vor ber?hmten Vorg?ngern. Sie wagten sich an dieses abendf?llende Schauspiel, das den Darstellern alles abverlangt: h?chste Konzentration, enorme Sensibilit?t, h?chst versierten Umgang mit der Sprache und viel Mut, sich mit entsprechender K?rpersprache voll in die nicht immer vorteilhafte Rolle einzuleben.

Fesselnd und au?erordentlich feinf?hlig, mit dem exakten Gesp?r f?r feinste Nuancen in den Figuren zeigten sich vor allem die beiden Lefmanns in Hochform und selbst professionelle Schauspieler h?tten die Figuren des am Ende v?llig desillusionierten ?lteren Paares kaum besser interpretieren und darstellen k?nnen. Einfach umwerfend kam George daher. Klaus-Peter Lefmann spielte die "Gesellschaftsspiele" mit seiner Frau Martha von Anfang bis Ende absolut brillant, voller Ironie und Sarkasmus, so dass das Publikum zwischen am?sierter ?berraschung und schockierter Sprachlosigkeit hin und her geworfen wurde. Nicht weniger mitrei?end trat die vor Sarkasmus triefende Martha auf, die sich an den B?sartigkeiten ihrem Mann gegen?ber erg?tzt. Jutta Lefmann beherrscht alle Formen des Ausdrucks und wechselte m?helos durch alle Gef?hlslagen und Ausdrucksformen.

Auch Verena L?cke zeigte in der Rolle der unweiblichen und d?mmlichen Putzi eine enorme B?hnenpr?senz. Selbst wenn sie nichts zu sagen hatte, war sie un?bersehbar vorhanden. Ihre Ausdruckskraft sorgte daf?r, dass die Zuschauer stets ihrer Gegenwart bewusst waren, auch wenn sie sich des ?fteren nur ?ber ihr Mienenspiel mitteilen konnte.

Schallenberg als ihr Mann Nick und gleichzeitig erschreckende Verk?rperung des amerikanischen Traums trat zuweilen hinter dem fesselnden, ja teils entfesselten Spiel der anderen zur?ck, repr?sentierte jedoch durchaus ?berzeugend die von Albee konzipierte Figur des aufstrebenden Spie?ers, der als Jungprofessor f?r Biologie den amtlich-perfektionierten Menschen sucht und den Prototyp konformistischen Denkens verk?rpert.

In dieser Inszenierung ist alles stimmig, sowohl die Beleuchtung und das aufw?ndige B?hnenbild, das weitestgehend exakt Albees Vorstellungen entspricht. Die ausgew?hlte Musik (Jazz) unterstreicht stets die jeweilige Stimmung und Situation. Letztendlich ist mit dieser Premiere eines klar geworden: Man mag diverse Inszenierungen des St?ckes gesehen haben, aber wenn man diese nicht erlebt hat, fehlt eine pr?chtige Interpretation von Albees Werk garantiert.