Christel M?ller zeigt als Medea ihre st?rkste Leistung

Ibbenb?rener Volkszeitung vom 22. Mai 2004

Wilm Froese. Ibbenb?ren. Ein kurzer, aber ?u?erst intensiver Theaterabend war die Premiere der Trag?die "Medea" von Jean Anouilh in einer Produktion des Quasi So-Theaters am Mittwochabend im Pauluszentrum in Langewiese. Nichts, auch nicht das karge B?hnenbild, lenkte in diesem an ein klassisches Amphitheater erinnernden Raum von den inneren K?mpfen der als Zauberin und Kindsm?rderin aus der griechischen Mythologie bekannten, aber unbegreiflichen Frauenfigur ab. Auch den Franzosen Anouilh hatte es in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg gereizt, neue Facetten zu entdecken und Parallelen zu seiner Zeit aufzuzeigen, wie ja viele Dramatiker, Regisseure und Schauspielerinnen seit 2500 Jahren unternommen haben.

Dabei ist die Handlung immer die gleiche. Medea (Christel M?ller) wird von ihrem Gef?hrten Jason (Hendrik Brockmann), f?r den sie ihr Vaterland Kolchis aufgegeben und mit dem sie in ihrem gemeinsamen Abenteurerleben auch Menschen get?tet hat, schlie?lich verlassen. Der Held will sesshaft werden und Kreusa, die Tochter des Thebaner-K?nigs Kreon (Herbert B?rger), heiraten. Als Medea deshalb Griechenland verlassen soll, t?tet sie Kreusa und Kreon und schlie?lich sich selbst und ihre beiden Kinder, um damit Jason zu strafen.

F?r Anouilh ist das gemeinsame, gleichberechtigte Leben von Jason und Medea, tags zwei Soldaten und nachts Mann und Frau, ein scheiterndes Experiment. Unbedingte Selbstverwirklichung gibt es nicht, weder f?r die Frau noch f?r den Mann. Aber w?hrend Jason sich in einer neuen Ehe "bescheiden" will und darin seine St?rke sieht, geht Medea ihren Weg kompromisslos weiter, ihre Ehre in einen grandiosen Untergang rettend. Mutig und folgerichtig nimmt ihr die Regisseurin Katja Geist in ihrer zweiten Regiearbeit den Makel der Kindsm?rderin, mit dem einst Euripides sie zur unmenschlichen Au?enseiterin machte, die als "Barbarin" die griechische geordnete Welt sprengt. Das Ausl?ndische spielt bei Anouilh nur noch in den K?pfen des Volkes und im Regierungsrepertoire des K?nigs eine Rolle. Eine durchschaubare Idee, die das Publikum auf die Seite Medeas zwingt, aber auch zu einer ?berpr?fung des eigenen Standpunkts. Da wirken die "Zigeunerpack"-Rufe vom Tonband eher wie ein zus?tzlich erhobener Zeigefinger.

Das lenkt nur ab von der so hervorragend verdichteten pers?nlichen Auseinandersetzung zwischen Medea und wenn die beiden im Dialog aufeinander eingehen, dann in Hass und Verachtung, und gleich darauf reden sie in Liebe und gl?cklichen Erinnerungen aneinander vorbei. Das ist au?ergew?hnlich gut erarbeitet und wird von den beiden Schauspielern gro?artig umgesetzt, auch in einer symbolischen stummen Szene.

Christel M?ller zeichnet in ihrer vielleicht bisher st?rksten Leistung eine Frau, die das Ende ihres Weges kennt, ihn aber so noch einmal gehen w?rde. Da strahlt sie eine fast schon entr?ckte Ruhe aus, die sie nur selten, aber pointiert aufgibt. Als zweite Seele in ihrer Brust hat ihr Katja Geist die Worte der handfesten, aber passiv-traditionellen Amme ?bertragen, so dass aus dem originalen Dialog nun eine innere Auseinandersetzung geworden ist. Gerade dadurch wird Medeas bewusstes Scheitern zur Trag?die.

Eine Puppe dient dazu. Gespr?chssituationen zumindest formal aufrecht zu erhalten, wenn ein wirklicher Partner fehlt. Auch Hendrik Brockmann liefert, nach nur wenigen Proben und auch noch ohne die sprecherische Kompetenz von Christel M?ller, eine runde Charakterisierung des Ex-Helden. Er nutzt, neben den ideenreichen Accessoires, "Men?s Health" und einem Schwert in der Aktentasche, diese stumme Gespr?chshilfe, wenn er ?ber die unvergessliche Zeit vor seiner Reifung im Verzicht nachdenkt, als er wirklich gelebt hat. Pr?zise nimmt er sich "reif" zur?ck, wo der Text einen Ausbruch nahe legt.

Herbert B?rger tr?gt als alt gewordener Kreon, der die fehlende Kraft durch Pose und Worte ersetzen muss, viel zu dem geschlossenen Ensemble bei, aus dem die Regisseurin Erstaunliches herausgeholt hat. ?ber die Ausdeutung des Textes kann man trefflich diskutieren, aber dass ist im Theater ja ganz gewiss kein Mangel.