Psycho-Krimi soll provozieren

Westf?lische Nachrichten vom 10. Oktober 1998

Martin Kalitschke. Ibbenb?ren. "Machen wir die 1 - mit der Jacke als Tannenbaumersatz", ruft Regisseur Jens Dierkes seine Schauspieltruppe zusammen. W?hrend sich Henriette Mudrack besagte Jacke schnappt, k?ndigt Michael Kneisel an, die Szene auswendig zu probieren: "Ich versuch's mal ohne Text. Kannst Du einlesen, wenn ich h?nge?" Die Schauspieler begeben sich in Position, schl?pfen in ihre Rollen und legen los, liefern als Nora und Helmer Einblicke in eine Ehe. "Nora oder Ein Puppenheim" lautet der Titel des St?ckes von Henrik Ibsen, das das QUASI SO-Theater erstmalig am 18. November (20 Uhr, Alte Sparkasse) auff?hren wird - und f?r das die Truppe bereits kr?ftig probt.

In unkonventioneller Umgebung bereiten sich die Amateur-Schauspieler auf ihre neuste Auff?hrung vor: Seit 1. Oktober kommen sie t?glich in der Turnhalle der Helen-Keller-Schule zur Probe zusammen. Geleitet wird sie von Jens Dierkes, der damit erstmalig in Ibbenb?ren ein klassisches Theaterst?ck inszeniert. Dierkes war es auch, der Ibsens Schauspiel ausgesucht hatte: "Ich hatte vor einiger Zeit Nora in M?nster gesehen und war sofort fasziniert von der Thematik, aber auch vom Aufbau des St?ckes", bekennt er und berichtet, dass Ibsens St?ck ?ber Z?ge eines faszinierenden Psycho-Krimis verf?ge. Erz?hlt wird die Geschichte von Nora und Helmer, einer zur Verschwendung neigenden Frau und ihrem Mann, der es bis zum Bankdirektor gebracht hat. Eine gef?lschte Unterschrift, die Nora vor Jahren aus Liebe zu ihrem Ehemann geleistet hatte, um f?r den damals schwer Erkrankten Geld f?r einen Kuraufenthalt in Italien zu bekommen, wird f?r die beiden zur Zerrei?probe.

Gew?rzt mit einer geh?rigen Portion Gesellschaftskritik wird dabei das Portrait einer Frau gezeichnet, die von so etwas wie Emanzipation weit entfernt zu sein scheint - ein "P?ppchen" eben, das - in besagtem "Puppenheim" lebend -, ?bergangslos von der Erziehung durch den Vater ins patriarchalische Eheleben weitergereicht wurde - und erst zum Schluss zu einer Art Selbstbestimmung findet. "Nora", erl?utert Dierkes, "ist ein Opfer des Patriarchats - doch bis zu einem gewissen Punkt merkt sie es ?berhaupt nicht." Die Zeiten des Patriarchats sind heute gottlob vorbei, doch das St?ck ist daher nicht weniger aktuell, wie Dramaturgin  Barbara L?cke erl?utert: "Fremdbestimmung gibt es heute schlie?lich auch noch."

Jens Dierkes inszeniert das Schauspiel als Studio-Produktion, also auf kleiner B?hne vor ?bersichtlicher Zuschauerzahl. Dies wird ein St?ck zu sehen bekommen, das nicht immer exakt mit der Original-Vorlage ?bereinstimmt: "Das von Imke M?ller gespielte Hausm?dchen wird nicht devot wie bei Ibsen sein, sie wird eher als Spiegel zu Nora fungieren", erl?utert Dierkes. Soll hei?en: Sie verh?hnt und ?berzieht Nora und verst?rkt ihr - wie der Regisseur sagt - "Pseudo-Erotik". "Es gibt sehr viele eindeutige Stellen", verspricht Dierkes und erhofft sich zudem, provozieren zu k?nnen. Mit der Aussage "Ach, das war ein sch?nes St?ck" sollten die Zuschauer auf jeden Fall nicht nach Hause gehen.

Knapp sechs Wochen werden die Proben noch dauern - koordiniert von Katharina Quindt, die als Regieassistentin daf?r sorgt, dass jeder Schauspieler genau zu dem Zeitpunkt seine Rolle ?ben kann, wenn es ihm am besten passt. Nicht alle Amateur-Darsteller sind n?mlich jederzeit verf?gbar: Manche m?ssen zur Schule, andere studieren, auch ein Lehrer befindet sich unter den Schauspielern.

Premiere wird schlie?lich am 18. November in der Alten Sparkasse sein. Weitere Auff?hrungen folgen am 20., 21. und 22.. November (alle 20 Uhr, ebenfalls Alte Sparkasse) und am  27., 28. und 29. November (jeweils 20 Uhr, Kepler-Gymnasium).
Karten gibt es im Vorverkauf bei der VHS (Tel.: 93 17 61) sowie in der Boutique ELISA.