Machtspiele im B?rgerhaus

Ibbenb?rener Anzeiger vom 03. September 1998

(sac). Ibbenb?ren. Angepasst, gesinnungslos, mit Blick auf die Karriere stets mit dem Strom schwimmend. Sich aller ehrlicher Gef?hlsregungen enthaltend, um nicht angreifbar zu sein. So verhalten sich die Untergebenen des Gaius Caligula. Um ihnen einen Spiegel vor Augen zu halten, beginnt der r?mische Kaiser ein fatales Experiment...

Einen Spiegel will auch J?rg Welke, Regisseur der neuen QUASI SO-Produktion, dem Publikum vorhalten: "Caligula ist ein St?ck mit zeitlosem Thema: Es geht um Macht, sie zu gewinnen und zu halten." Der Anzeiger besuchte die Proben und sprach mit dem freien Regisseur und Musik-Dramaturg ?ber seine Inszenierung, die am 10. September im B?rgerhaus Premiere feiert.

Die Masse der Senatoren, sprich die Masse der Untergebenen, ist am Ende siegreich in der Version J?rg Welkes von "Caligula". "Aber der Sieg gilt, wie bei jeder Revolution, nicht den hochtrabenden Ideen, sondern nur dem Mittelma?", erkl?rt der freie Regisseur gegen?ber dem Anzeiger. Mit seiner Inszenierung will er ein Abbild unserer Gesellschaft, insbesondere der modernen Gesch?fts- und Businesswelt zeichnen: Aalglatt, prinzipienlos, ohne ?jede menschliche Regung und R?cksicht auf andere.

"Habt keine Angst vor den Pausen! Ihr k?nnt sie f?llen mit Mimik und Gestik und k?nnt damit mehr sagen als drei Zeilen Text", verdeutlichte J?rg Welke am vergangenen Montag w?hrend der Probe zu "Caligula" den Darstellern im B?rgerhaus. Der freischaffende Regisseur und Musik-Dramaturg aus Recklinghausen lernte die Akteure des QUASI SO-Theaters ?ber den damaligen Leiter Gerrit Schulze Uphoff bereits im letzten Jahr kennen. Welke gestaltete die Musik-Dramaturgie f?r die vielseits gelobte Inszenierung von "Angst essen Seele auf". Jetzt ?bernahm er die Regie f?r die neueste QUASI SO-Produktion "Caligula". Ihm zur Seite steht Dorothee Falkenreck als Regieassistentin.

Welke hat schon viele kleinere Produktionen mit Amateurgruppen durchgef?hrt. Die Organisation sei meist schwierig, da die Darsteller, wie auch in Ibbenb?ren, zum gro?en Teil berufst?tig sind. Sie opfern ihre Abende und Wochenenden f?r ihre Liebe zum Theater - schlie?lich werden sie nicht mit barer M?nze entlohnt, sondern einzig durch den Applaus des Publikums. "Man braucht einiges Geschick und starke Nerven f?r die Koordination des Probenplans. Aber sobald die Faszination der Beteiligten f?r das St?ck geweckt ist, sind sie ausgesprochen motiviert. Dann agieren alle sehr professionell."
Besonders sch?n und und gleichzeitig ungew?hnlich sei beim QUASI SO-Ensemble das gro?e Engagement in bezug auf die Verwirklichung der Produktion. Jeder sei bereit, auch andere Aufgaben ?ber die eigene Rolle hinaus zu ?bernehmen. Und jeder w?rde Probleme oder Schwierigkeiten ohne viel Aufhebens kurzerhand selbst aus der Welt schaffen.

Eine 15k?pfige Truppe ist seit dem 10. August mit den Vorbereitungen zu "Caligula" besch?ftigt. Das Drama des franz?sischen existentialistischen Schriftstellers Albert Camus von 1938 ist ein Schauspiel in vier Akten. Nach einem Schicksalsschlag erscheint dem bis dahin gerechten Regenten Gaius Caligula das Leben absurd. In dieser Situation erlebt er, dass den ihm nahestehenden Menschen nichts an seiner Person liegt, sondern nur an seiner Funktion als r?mischer Kaiser. Er errichtet eine Herrschaft des Absurden. Er vergewaltigt und mordet, und je unterw?rfiger sich die Menschen zeigen, desto mehr verachtet er sie. "Dieses <Experiment> vollzieht er mit aller Konsequenz bis zu seinem Untergang.", erkl?rt Welke und verspricht ein dramatisches Finale.

Er ?bersetzt das St?ck in die Moderne - mit einigen Ankn?pfungen an Camus' urspr?ngliche Gedanken. Das imposante B?hnenbild stellt die Empfangshalle eines gro?en Konzerngeb?udes dar. Eindrucksvoll schwingt es sich bis zu einer H?he von zwei Metern hinaus. "?berall befinden sich G?nge auf verschiedenen Ebenen, teilweise wie ein Labyrinth. Aber der Raum ist in sich geschlossen - es gibt keinen Ausweg f?r die Mitglieder dieser Gesellschaft", erl?utert Tim Rikeit, der erstmals eigenst?ndig ein B?hnenbild entworfen hat. "Das Treppensteigen ist ganz sch?n schwer", st?hnt Darstellerin Beate Wulfekamp bei der Probe und blickt verzweifelt auf ihre hochhackigen Schuhe. "Darum kannst du dir Zeit lassen und w?rdevoll herunterschreiten...", entgegnet Welke und spielt es gleich selbst vor.

Der B?hnenaufbau ist sehr kompliziert. Ich nutze ihn, f?r meine Art zu arbeiten: Bilder zu bauen und in verschiedene Sinnbeziehungen zu bringen. Ein Renaissance-Maler h?tte Freude an diesen Bildern gehabt...", schw?rmt der Regisseur im Anzeiger-Gespr?ch. Damit sind allerdings nicht die Kost?me (Ute St?ttner, Imke Strothmann) oder das B?hnenbild gemeint. Diese erinnern nur in Details an die r?mischen Wurzeln des St?cks.

Auf der B?hne spielen viele bekannte Gesichter des QUASI SO-Theaters. Manfred Hagemann ist in der Rolle des Caligula zu sehen, Anne Geschwinder stellt seine Geliebte Caesonia dar. Ansonsten gibt es laut Welke keine Hauptrollen, sondern nur Rollen mit viel oder wenig Text. Auch die Personen mit wenig Text sind auf der B?hne stark pr?sent. "Viele machen diese Erfahrung zum ersten Mal", berichtet Welke.

Premiere feiert "Caligula" am 10. September im B?rgerhaus. Es folgen Vorstellungen 11., 12., 13., 18. und 20. September, jeweils um 20 Uhr. Karten im Vorverkauf gibt es bei der VHS oder der Boutique ELISA.