Finita la commedia - das Spiel ist aus

Ibbenbürener Volkszeitung vom 6. Februar 2013

Mit George Taboris "Mein Kampf" startete am Mittwochabend vor etwa 90 Zuschauern das Quasi So-Theater Ibbenbüren in das neue Jahr. In der sarkastischen Auseinandersetzung mit dem Trauma der Shoa, demVölkermord an den Juden während des Nationalsozialismus, vermischt der Autor historische Fakten mit Erdichtetem und webt daraus ein künstlerisches Zeitdokument. Dem Regisseur Klemens Hergemöller gelang es, das Ganze bis zum fünften Akt in der Balance zu halten. Dabei konzentrierte er sich ganz auf den brillanten Text. "Ich finde es beeindruckend, wie der Regissseur die Monologe auf das Wesentliche fokussiert hat. Zudem hat er mit den Schauspielern ein glückliches Händchen bewiesen. Kein Slapstick auf der Bühne, das ist sehr gelungen", schätzte Dieter Michel die Umsetzung des schwierigen Themas ein. Julia Brüggemann kam ohne vorgefasste Meinung ins Theater und fand den Text durchaus gewöhnungsbedüftig, während Julia Kunkemöller besonders von der schauspielerischen Leistung der Darsteller beeindruckt war.

Thema des Stückes ist die Verwandlung des jungen Adolf Hitler in den späteren Massenmörder. André Rulofs hat in der Rolle einigen Gestaltungsspielraum und er nutzt ihn mit Bravour. Bei Tabori gehen Lächerlichkeit und Pathos ineinander über und es ist eine große Herausforderung, die Vielschichtigkeit des Textes differenziert herauszuarbeiten. Rulofs entlarvte Hitlers angebliche "Tugendhaftigkeit" als Verklemmtheit eines Provinzjungen und dessen im Stück behauptete "natürliche rhetorische Begabung" als Tölpelhaftigkeit. Rulofs' Mimik ist unglaublich nuanciert. Nach wüsten Überlegungen über das Schrumpfen von Menschen stupste er Schachfiguren über den Rand der Erde. Angesichts seines irren Blicks stockte dem Zuschauer der Atem.

Die Rolle des Juden Schlomo Herzl hat Tabori als liebenden Gegenspieler Hitlers angelegt und Ansgar Kuper spielt den älteren Mann mit aller gebotenen Zurückhaltung. Er tröstet den wild herumkreischenden Hitler, als er von der Kunstakademie mangels Talent abgelehnt wird und rettet ihn vorübergehend vor dem Zugriff der Frau Tod (Marjorie Hagenbeck). In den Rollen des arbeitslosen Koscher-Kochs Lobkowitz und des Gretchen spielten Stefan König und Nicola M. Niemeyer ihr schauspielerisches Talent voll aus. Das Bühnenbild von Imke Strothmann und die Kostüme von Ute Stöttner sind sehr genau auf die Inszenierung zugeschnitten und streichen Zeitbezüge heraus, ohne allzu plakativ zu wirken.

Im fünften Akt fallen die schwarzen Bahnen von den Wänden und das düstere Männerheim verwandelt sich in eine "Heimstatt erfrischender Klarheit". Das Geschehen eskaliert, als Himmlischst (Peter Tombrink) als Erfüllungsgehilfe Hitlers symbolisch das Huhn Mizzi zerstückelt und damit - den kommenden Völkermord vorweg nehmend - Schlomo Herzl selbst. Frau Tod kommt mit den Worten "Das Spiel ist aus" zurück und geht mit Hitler ab: "Der Anfang einer wundervollen Freundschaft". Mit einer Videoeinblendung von feiernden Menschen (Montage Peter Tombrink) nahm Hergemöller das böse Spiel zurück, störte damit aber die Gedankenstränge einiger Zuschauer, die das überflüssig fanden. Mit viel Applaus verabschiedete das Premierenpublikum das Ensemble. Weitere Aufführungstermine sind Samstag, 9. Februar, Freitag, 15. Februar, Sonntag, 17. Februar, Donnerstag 21. Februar und Samstag, 23. Februar.

Zitat: "Du bist ein mieser Schauspieler. Du solltest in die Politik gehen". (Schlomo Herzl zu Adolf Hitler)



Drei Fragen an: Regisseur Klemens Hergemöller

War es ein Wagnis, ein Stück mit dem Titel "Mein Kampf" auf die Bühne zu bringen?

Das war es durchaus, aber es hat sich gelohnt. Ich habe mir natürlich die Frage gestellt, ob die Inszenierung ankommt, wollte jedoch dem Publikum die Arbeit des Nachdenkens nicht abnehmen.

Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie das Ensemble zusammengestellt, haben die Schauspieler ein Mitspracherecht bei der Inszenierung?

Einige der Schauspieler kannte ich bereits von anderen Inszenierungen, unter anderem am Quasi So-Theater. Natürlich kann jeder Darsteller Vorschläge machen, wie er sich die einzelnen Szenen vorstellt. Manchmal ist es für den Regisseur auch notwendig, von ursprünglichen Plänen abzuweichen, da muss man realistisch bleiben. Letztlich aber entscheide nur ich, wie das Stück am Ende aussehen soll.

Warum haben Sie die Zuschauer am Schluss mit den Videoeinblendungen feiernder Deutscher aus dem historischen Geschehen herausgeholt?

Ich habe seit langem Probleme damit, dass die jüngeren Generationen mit der Schuld des Holocaust belastet werden. Ich finde, wir dürfen wieder unbeschwert feiern und - wie bei der Fußballweltmeisterschaft - auch öffentlich Fahnen schwenken.