Shakespeare voll verdichtet

Ibbenbürener Volkszeitung vom 19. April 2013

IBBENBÜREN. So fängt Shakespeare für gewöhnlich nicht an. Moderne Musik ertönt. Ein gut gelaunter Showmaster ruft „Guten Abend!" Damit startete die Premiere eines ehrgeizigen Unterfangens des Quasi-So-Theaters: Shakespeares Gesamtwerk auf eine puristisch gestaltete Bühne zu bringen. Komplett.

Das haben sie am Donnerstagabend geschafft –  scheinbar. 37 Stücke in zweieinhalb Stunden. Doch erstaunlicherweise hatte die Premiere von „Shakespeares sämtliche Werke – leicht gekürzt" mit Shakespeares Theater recht wenig zu tun. Eher war es Brechtsches Theater: Mit Einbeziehung des Publikums, mit Kontakt, mit Moderation.

Inhalt Shakespeare, Darstellung Comedy. Drei Männer, Paul Hohenhaus, Claudio Meyer und Klaus-Dieter Niepel unter der Regie von Tobias Schindler, spielten alle Figuren. Dabei stach Meyer hervor. Er bewies binnen kürzester Zeit beeindruckende Wandelbarkeit: Mit diversen Perücken verkleidet, widmete er sich vornehmlich den weiblichen Charakteren, stellte sie überspitzt als hysterische Furien dar, leicht wahnsinnig waren sie alle. Wie das so ist, wenn Männer emotionale Frauen spielen. Laut, schrill, krakeelend und unfassbar anstrengend. Aber witzig, das schon. Allerdings unterschied sich Romeos Julia nicht nennenswert von Hamlets Ophelia. Zugegeben, für dezidierte Figurenentwicklung war keine Zeit.

So jagten sich die drei Schauspieler über die Bühne, rannten durch den Saal, erklommen die Empore, holten Zuschauer auf die Bühne, inszenierten Ophelias Abdriften in den Wahnsinn – und alle machten mit. Die Lustspiele fassten sie zu einer Universal-Komödie zusammen. Das Publikum wurde hin- und hergeschleudert zwischen Tragödien, Komödien, intertextuellen Verweisen, TV-Shows, Zitaten, Figuren, Szenen. Intellektuelle Reizüberflutung? Nein.

Die großen Momente waren für Freunde des klassischen Theaters die Szenen, in denen tatsächlich originalgetreu und ernst rezitiert wurde. Der Rest war einfach gute, flotte, bisweilen gehetzte Unterhaltung. Hingeschleuderte Zitate, die irgendwie mitmüssen, die halt dazugehören, zu Shakespeare komplett. Vorgetragen von tollpatschigen, sympathischen, lauten und nur scheinbar unkoordinierten Schauspielern.

Die Zitate, die den Theateraffinen sonst zu Tränen der Ergriffenheit rühren und eine Katharsis (Reinigung der Seele) evozieren – in der Schauburg flossen nur Lachtränen.

Die ganze Inszenierung war einer Unterhaltungsshow im Fernsehen nachempfunden, Jingles und Werbeeinblendungen inklusive. Die Anlehnung an moderne Unterhaltung bildete den Roten Faden.
Den blutigen „Titus Andronicus" verpackte das Trio in einer TV-Kochshow, Hohenhaus als Macbeth plante den Königsmord auf dem Macbook („Yay, Braveheart kann einpacken!"), Othello rappte sich mit seiner Gang durchs verkürzte Skript, und während Julia den Balkon erklomm, spielte der Niepel „My Heart will go on" auf der Blockflöte. Zwischenzeitlich verwandeln die Akteure sich in Stromberg, Cindy aus Marzahn und Hape Kerkeling, um in diesen Rollen Shakespeares Rollen zu übernehmen.

Aus den politischen Dramen machten die Drei eine Castingshow. England suchte den Superkönig, kommentiert mit den Bohlen-typischen, unsagbar blöden Sprüchen. Im Großen und Ganzen eine nette Show. Shakespeare mal anders.