"Gretchen 89ff" überzeugt das Publikum

Höchst kurzweiliges Theater bot die jüngste Premiere der Quasi-Jugend am Mittwochabend in der Schauburg. Das Ensemble hatte sich „Gretchen 89 ff.“, eine Komödie von Lutz Hübner vorgenommen.

GretchenIBBENBÜREN. Es scheint, als grüße täglich das Murmeltier, und ist doch ganz anders. Goethe, Faust I, gelbes Reclamheft, Seite 89 folgende, die Kästchenszene, und die gleich zehn Mal. Klingt ungewöhnlich? Ist es auch!
Höchst kurzweiliges Theater bot die jüngste Premiere der Quasi-Jugend am Mittwochabend in der Schauburg. „Gretchen 89 ff.“, eine Komödie von Lutz Hübner, hatte sich das Ensemble unter der Leitung von Regisseur Claudio Meyer vorgenommen und zeigte in atemberaubendem Wechsel die besagte Szene in zehn sogenannten „Versuchsanordnungen“, wie sie unterschiedlicher nicht sein konnten.
„Hoffentlich spielen sie es, so wie es ist“ heißt es zu Beginn von Hübners Komödie. Das ist gar nicht so einfach und hängt im Wesentlichen davon ab, wer spielt – und wer inszeniert. In der Konstellation Schauspieler auf der einen und Regisseur respektive Dramaturg auf der anderen Seite scheint eben alles möglich. Langeweile kommt da garantiert nicht auf.
Da sind der Typ, der sich durch die Probe pöbelt und seiner Darstellerin kaum die Chance auf einen vollständigen Satz lässt, und der alte Haudegen, der in Erinnerungen an bessere Theaterzeiten schwelgt und sein Gretchen der Gegenwart lediglich als Stichwortgeberin braucht. Da ist die blutige Anfängerin, die ihrem Regisseur mit Ideen und Zungenbrechern am laufenden Band auf die Nerven geht, bis es aus diesem herausbricht, und die Diva, die alles besser kann und weiß, bis der Nachwuchsregisseur die Flinte ins Korn wirft.
GretchenDer Freudianer baggert die Darstellerin an und kassiert eine Ohrfeige, der Streicher vertröstet und cancelt, bis der Schauspielerin nichts mehr zu sagen bleibt und das Tourneepferd malträtiert seine Biggi-Maus mit Schmatzer und Wiener Schmäh. Köstlich auch der Hospitant, der über die Bühne stolpert, fällt, mit Papier, Streichhölzern und von Honig triefenden Komplimenten um sich wirft und das Theater ganz toll findet, und die Darstellerin, die gar nicht weiß, wie ihr geschieht, sowie das Gretchen, das an sich und der Welt verzweifelt, weil alle Schlechteren es besser getroffen haben, und der Requisiteur, der vergeblich versucht, ihr die Zigarrenschachtel recht zu machen.
Und nicht zuletzt sind da die schwarz gekleidete Dramaturgin mit der nasalen, monotonen Stimme, die alles okay findet, und der durch Zweit- und Drittjobs überforderte Schauspieler, der in ihrer Inszenierung das Gretchen geben soll.
Zehn Szenarien, in denen Manfred Hagemann, Carmen Lucy Hesselmann, Carina Krentscher und Julian C. Krentscher mit unglaublicher Spielfreude zeigen, wie es im Theater auf und hinter der Bühne zugehen könnte. Satire pur für Goethe-Fans, Faust-Liebhaber, Theaterfreunde, Schüler, Studenten und Lehrer (nicht nur Deutsch!), einfach für alle, die Spaß an einem kurzweiligen Abend rund um wenige Verse aus der wohl bedeutendsten Tragödie der deutschen Literatur haben.
Das Premierenpublikum hatte sichtlich und hörbar Spaß an den tollen Darstellern und an der Regiearbeit von Claudio Meyer. Als Regieassistentin und Moderatorin war Lina Brockob auf und hinter der Bühne im Einsatz. Ins rechte Licht rückte Jens Heeger die Inszenierung.

IVZ vom 15.11.2013